Meine einjährige Tochter gehört zur Kategorie der sogenannten Mitesser: Alles, was mein Mann und ich auf dem Teller haben, muss sie auch anknabbern – auch wenn es nachher postwendend mit einer galant-schwungvollen Geste ihrerseits auf dem Boden landet.
Wir haben uns daran gewohnt, dass es nicht schwierig ist, sie zu füttern. Schon bei der Milch war Essensverweigerung kein Thema. Und was heute auf dem Teller (unserem!) ist, das isst sie mit Elan. Was wir aber heute erlebt haben, führt uns in neue Dimensionen der Elternschaft ein.
Wie so oft in letzter Zeit gab es zum Abendessen eine kalte Platte für alle: LadyGaga liebt Aufschnitt, Essiggurken, Maiskölbchen, Silberzwiebeln, Cherrytomaten und dergleichen. Und mit Butterbrot und Kuhmilch ist das Abendessen der Hit. Heute hatte ich noch einen Rest Pizzateig im Kühlschrank, der morgen garantiert zum Wegwerfen gewesen wäre, also machte ich noch schnell vier kleine Minipizzas mit Schinken und Mozzarella – nichts Neues für meine Tochter.
Während wir am Esstisch gemütlich zu Abend assen, schreckte ich plötzlich auf – ich hatte die Pizzas beinahe vergessen. Also stürzte ich zum Ofen und stellte dann die vier Pizzas auf einen Essteller zum Auskühlen auf die Anrichte. Ich hatte nicht gemerkt, dass ich dabei unter Beobachtung meiner Tochter stand. Als sie aber realisierte, dass ich ohne Essen zurück an den Tisch kam, ging der Terror los. LadyGaga weinte um ihr Leben bzw. um ihre Pizza, die ich ihr als böse Mutter einfach vorenthielt, obwohl sie noch soooooo hungrig war. Ich blieb stur, schliesslich war die Pizza viel zu heiss und LadyGaga hätte sich garantiert die Fingerchen und den Mund verbrannt. Aber sie weinte Krokodilstränen, die Bäche rannen nur so dahin. Ich erklärte ihr im sachlichen Ton, dass sie später schon noch ein Stück Pizza bekommen würde, aber es sei einfach noch zu heiss jetzt.
Keine Beruhigung in Sicht, die Dezibelstärke zunehmend. Ich ignorierte sie. Als sie nach ihrer Tasse griff, um daraus zu trinken, unterbrach sie ihr Geschrei kurzfristig, nur um sofort danach wieder kommentarlos loszulegen. Ich ignorierte sie weiter und unterhielt mich mit meinem Mann. Nach einigen Minuten ging ich zurück zu den Pizzas. Gut, sie waren noch sehr warm, aber meine Tochter konnte sich die Finger sicher nicht mehr daran verbrennen. Also kam ich an ihren Platz am Tisch zurück und gab ihr ein Stück auf den Teller – nicht, ohne sie zu warnen. Sie hörte auf zu weinen und beobachtete mich misstrauisch irritiert, immer noch ohne zuzulangen. Wir erklärten ihr nochmals, dass die Pizza sehr heiss sei, aber wenn sie unbedingt wolle, könne sie sich ruhig verbrennen. Sie schaute mich argwöhnisch an, legte zaghaft die Händchen auf den Teig, nur um sie dann schnell wieder zurückzuziehen und unbeteiligt wegzuschauen, als ginge sie das alles nichts an. Immer wieder versuchte sie, unauffällig die Pizza in die Hand zu kriegen, bis sie schliesslich hastig am Belag zupfte und ein Stückchen davon in den Mund schob. Sie schaute mich dabei an, als wolle sie nach einem Stück Salatgurke fragen.