Als Kind habe ich diese Schneekugeln aus aller Welt gesammelt, die mir mein Vater von seinen vielen Geschäftsreisen mitgebracht hat. USA, Schweiz, Kolumbien, Mexiko… oder in kindlicher Erinnerung ausgedrückt: Fische im Aquarium, ein Taucher in einer Flasche, Papageien auf einer Seilschnur, eine grosse Muschel, die Freiheitsstatue von New York, der Eiffelturm in schimmerndem Gold et cetera pepe. Durch die Schneekugeln habe ich die Welt gesehen.
Mit 13 war ich die Dinger aber leid und wollte sie im Keller verstaut wissen. Ich übergab sie meinem Vater, er würde schon wissen, was zu tun war. Er wusste es nicht und verschenkte sie auf einem Flohmarkt an ein Kind. V-E-R-S-C-H-E-N-K-T-E sie! Dutzende historische Schneekugeln, für mich für immer verloren an ein namenloses Kind, das nicht ich war.
Vor zehn, fünfzehn Jahren habe ich dann wieder zu sammeln begonnen, aber es ist nicht mehr dasselbe. Die Kugeln sehen heute oft identisch aus. Ob aus Miami oder Argentinien, nur der Kleber mit dem Städtenamen drauf macht den Unterschied. Der „Made-in-China“-Kleber aber ist bei allen gleich. Gut, meine Monaco-Kugel hat die Form eines Formel-1-Wagens, und aus Wien habe ich eine Mozart-Schneekugel-Statue. Ach ja, und von London habe ich Big Ben, die Kugel ist aufgrund der Grösse nicht rund, sondern oval. Und die Kugel aus Figueres, wo das Dalí-Museum steht, zerfliesst wie die berühmte Uhr.
Hm.
Habe gerade nochmals in der Vitrine nachgeschaut. Ich habe doch einige spezielle Exemplare. Aber: Die Dinger haben keine Lebenszeitgarantie. Das Wasser wird mit den Jahren gelb, wenn es nicht austrocknet. Also hätte ich die alten Kugeln heute vermutlich eh nicht mehr. Was bedeutet: Alles ist richtig, so wie es geschieht. Gut, hat Papi die Dinger damals verschenkt. So habe ich sie immer noch in meiner kindlichen, perfekten Erinnerung. Die Fische im Aquarium, den Taucher in der Flasche, die Papageien auf der Seilschnur. Perfekt.