Der Wunsch, alles richtig mit dem Nachwuchs zu machen, begleitet uns täglich. Noch bevor das Kind gezeugt ist, stopfen wir uns mit Folsäure und Vitaminen voll, entsagen dem Alkohol, dem Rauchen, dem Kaffee. Alles unter der Fahne des neuen Projekts Elternschaft.
Wie es sein sollte
Prominente leben uns vor, wie Kinder heute zu sein haben: Sie haben möglichst neumodische, sprich merkwürdige Namen wie Suri, Shilo oder Egypt. Sie laufen stets gestylt in den Strassen ihrer Stadt herum, sind hübsch anzuschauen und präsentieren am besten gleich noch die aktuelle Kindermodelinie der berühmten Mutter. Alles an ihnen sieht perfekt aus.
Und was die anderen haben, wollen wir auch: Wir wollen perfekt sein. Wir suchen das schönste Kinderzimmer aus. Wir besuchen Geburtsvorbereitungskurse, machen eine Tragetuch-Offenbarung mit oder gehen zum Schwangerschaftsyoga. Die Geburt hat bitte schön schmerzfrei und kurz zu sein, das Kind propper und rein. Die Stilldepression kennt man nur vom Hören-Sagen. Die Nächte werden durchgeschlafen, das Kind schreit nur selten. Sonst wären wir ja keine perfekten Eltern und hätten nicht das perfekte Kind.
Auch wenn Junior älter wird, haben wir für jedes Problem die Lösung parat. Zahnen? Kein Problem, wir wissen genau, was zu tun ist und wie das Kleine sich wieder beruhigen wird. Freche Antworten vor der Verwandtschaft? Gibt es nicht, das Kind ist schliesslich gut erzogen und gehorcht immer aufs Wort. Und vor allem: Wir als Eltern reagieren immer richtig auf jede Situation, in die wir dank unseres Kindes kommen. Wir sind immer für unser Kind da. Wir sind perfekt.
Wie es ist
Wenn Sie ehrlich sind, hassen Sie es, mit Ihrem Kind zum neunten Mal in Folge Memory zu spielen, wobei es eigene Spielregeln entwickelt hat, die es zu einer Art Anti-Memory machen. Sie drücken sich nach Möglichkeit davor und schieben den Vater vor („Das ist ein Papi-Job“). Sie sind froh, wenn die experimentellen Spiele (Tanzen im Regen, Regenwürmer ausgraben, Matschen mit Malfarben) in der Krippe abgehandelt werden, während Sie trockenen Fusses im Büro arbeiten können.
Wenn Junior zum x-Mal die Milch auf dem Tisch verschüttet, obwohl Sie gesagt hatten, dass er mit dem Glas aufpassen soll, können Sie nur noch hysterisch brüllen. Und haben nachher ein schlechtes Gewissen, weil Ihr Kind zu heulen anfängt.
Irgendwann merken Sie dann, dass Sie gar nicht so perfekt sind, wie Sie es sich vor der Geburt vorgenommen hatten. Dies ist spätestens dann der Fall, wenn Sie Ihr Kind im Trubel auf dem Flughafen alleine vor der Gepäckausgabe stehen lassen. Sie sind einfach Sie, mit Kind.
PS: Packen Sie Ihr Kind in Watte – es wird dennoch einen Weg finden, sich durch die Watte zu fressen, wenn es sein muss!