Liebesbeweis

Wie beschreibt man Mama on the rocks? Ich denke, am besten trifft es heute „aufgestellte, kindische, zuverlässige, lösungsorientierte und resolute Spritzenphobikerin“. Mein Göttergatte hat sich ja in den Ferien das Sprunggelenk gebrochen, und seit gestern trägt er einen speziellen, auf ihn zugeschnittenen Schienenschuh, der aussieht, als wäre das Bein ab und er hätte stattdessen eine Prothese mit einem kitschigen, teeniemässigen Jeansdruck drauf. Armer Mann (echt jetzt), und das bei 32 Grad Aussentemperatur. Damit er von dem Schuh keine Thrombose kriegt, muss er für sechs Wochen jeden Tag… – richtig – eine Spritze haben. Und wer soll ihm die bitte schön geben? Natürlich die bessere Hälfte.

Mein Mann sitzt also mit nacktem Oberschenkel auf der Couch. Aufgestellt gehe ich mit ihm die Schritte trocken durch. Sterilisieren, Hautfalte anheben, Spritze in den Oberschenkel rein, spritzen. Moment, wann nehme ich die Schutzkapsel von der Spritze ab? Ich habe ja die Hände voll mit Hautfalte. Ich gluckse und giggele kindischwie unsere Zweijährige. Ich beginne. Wie lange soll ich die Hautstelle überhaupt sterilisieren? Wenn ich damit aufhöre, muss dann sofort die Spitze rein? Ich pruste los. Dann habe ich die Spritze in der rechten Hand, die sehr gründlich und sehr sehr lange desinfizierte Hautstelle in der anderen. Mein Mann schwitzt leicht. Augen zu und durch. Ne, Augen auf und dann durch! Ich drücke die Spritze in die Haut, aber diese gibt verflucht nochmals einfach nicht nach. Slapstick pur. Das ist doch kein zähes Leder, wieso geht das nicht! Nur nicht hysterisch werden. Mein Mann schwitzt jetzt merklich. Tief Luft holen und nochmals stechen, ich bin zuverlässig, das kann doch nicht so schwer sein. Es nützt alles nix, das Ding muss schliesslich rein. Also setze ich die Spritze mit einem festen Hieb in sein Fleisch, er jault auf. Ich komme mir vor wie in einer dieser Spitalserien, in denen sie die Spritze dramatisch durch die Brust direkt ins Herz reinhämmern, damit der Patient wieder atmen kann. Dr. on the rocks rocks!
Nochmals durchatmen, lösungsorientiert denken, es nützt nichts, aus Mitleid die Spritze wieder rauszuziehen, das Medikament ist ja noch drin. Also drücke ich die Flüssigkeit resolut aus der Spritze und in den Oberschenkel meines Mannes. Spritze wieder raus und dann? Es blutet. Wieso hat keiner gesagt, dass es bluten würde? Wir diskutieren angeregt über das Blut, sind beide erleichtert, dass wir es hinter uns haben. Aus Liebe habe ich meine Spritzenphobie hinten angestellt. Aber auch aus Liebe hat mein Mann seiner Spritzenphobikerin vertraut. Zwei echte Liebesbeweise an einem Tag.
Morgen steche ich besser.

1 thoughts on “Liebesbeweis

  1. tja, das nennt sich wirklich Liebesbeweis. Ich hätte auch geschwitzt…allerdings als Spritzengeberin…ich hoffe fest, dass ich das niiiiiiiiieeee machen muss.
    liebe Grüsse, freue mich auf die Einladung :-)))

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