Von eigenen Kindheitstraumata

LadyGaga ist seit Anfang Dezember in einer neuen Krippe, da wir ja mit der alten nicht mehr zufrieden waren. Neu ist sie nun bei uns im Dorf untergebracht. Wir sind begeistert, denn im August kommt LadyGaga in den Kindergarten und kann dann nachmittags ebenfalls in dieser Krippe sein, so dass ich trotzdem noch weiter arbeiten kann.

Und: LadyGaga wollte unbedingt in diese Krippe. Sie kannte dort nämlich bereits eine der Betreuerinnen, die früher in der alten Krippe gearbeitet hatte. Wochenlang lag sie uns in den Ohren, dass sie endlich endlich in die neue Krippe gehen wolle.

Und nun?

Die erste Woche ging ganz wunderbar. Aber seit zwei Wochen heult sie Rotz und Wasser und will nicht mehr hingehen. Sie hängt an meinem Rockzipfel. Wir sind verzweifelt. ICH bin verzweifelt. Keiner will sein Kind leiden sehen. Und ich verstehe es auch nicht, weil sie doch so begeistert war, dorthin gehen zu können und ein offenes zugängliches Kind ist. Auf Schweizerdeutsch sagt man dem «Wie en umkerte Händtsche» (wie ein umgekehrter Handschuh). Es geht sogar schon so weit, dass sie am Morgen schon weint, bevor wir überhaupt aus dem Haus raus sind. Sie heult und sagt, keiner wolle mit ihr spielen. Ich versuche, sie zu bestärken, dass die Kinder sie halt noch nicht kennen und erst herausfinden müssen, wie toll LadyGaga ist. Sie solle mutig auf die Kinder zugehen. Aber sie stellt auf stur und weint und weint herzerbarmend.

In mir zieht sich alles zusammen. Mein eigenes Kindheitstrauma kommt wie ein grosses kaltes Monster hervor. Ich war lange die Aussenseiterin in der Schule, hatte nur wenige Freunde. Dieses Gefühl lässt sich nur wie ein eiskalter Windhauch beschreiben, der sich um Dein Herz schliesst. Und nun erlebt mein Kind dasselbe? Grauenhaft.

Wir versuchen es mit Aufbauen. Mit Strenge. Mit Glücksbringern, Mantras. Mit Genervt-sein, mit Ignorieren. Mit ganz ganz viel Knuddeln und Trösten. Keine Strategie hat Erfolg.

Am Mittwoch hatte ich Geschäftsweihnachtsessen und kam erst spät nachhause. Ich telefonierte um 18 Uhr mit LadyGaga, die gerade mit meinem Mann aus der Krippe kam. Und sie heulte und schluchzte in das Telefon. Ich war nudelfertig mit den Nerven, aber mein Mann meinte, ich solle beim Essen bleiben. Also blieb ich in Zürich. Als ich um 20 Uhr eine besorgte SMS schrieb und nachfragte, antwortete er: Alles paletti, sie schläft jetzt. Das stutzte ich. War etwa nur ich der Trigger?

Am Donnerstag in der Krippe hatte ich nun ein langes Gespräch mit der Betreuerin, der ich sehr vertraue. Sie meinte, dass LadyGaga nebst dem Wechsel der Krippe die Ankunft des Geschwisterchens verarbeiten muss, da sie jetzt vier Jahre unsere alleinige «Queen» war. Auch wenn sich LadyGaga riesig auf ihr Geschwisterchen freut, spürt sie, dass auch da Veränderung auf sie zukommt. Und sie will ihre Rolle verteidigen – und klammert sich an mich. Auch hat die Betreuerin gesagt, dass es nicht stimmt, dass die Kinder nicht mit LadyGaga spielen wollen, sondern LadyGaga stösst sie weg und will lieber alleine sein – eben weil sie noch ein Einzelkind ist. Ich denke, sie fürchtet sich einfach vor der neuen Situation und hat ihre neue Rolle noch nicht gefunden – weder in der Krippe noch zuhause. Mein eigenes Kindheitstrauma hat die Sache für uns alle nicht einfacher gemacht, denn LadyGaga weiss meine Schwäche geschickt für sich zu nutzen – wie Kinder eben so sind. Deshalb wird in Zukunft mein Mann sie am Morgen alleine in die Krippe bringen, da sie offensichtlich nur wegen mir weint. Für unser aller Nerven ist das das Beste.

Hat euch im Alltag der Kindererziehung auch schon einmal eine eigene Angst einen Strich durch die Rechnung gemacht?

 

2 thoughts on “Von eigenen Kindheitstraumata

  1. Hm, mein Kommentar hat über das Smartphone nicht funktioniert…noch einmal in Kurzform…Wir haben hier ähnliche Probleme – ich denke tatsächlich, dass es mit der Schwangerschaft zusammenhängt. Ich kann ohne Gejammer noch nicht mal mehr den Raum verlassen, ganz wie früher….Ich fühle also sehr mit Dir!
    LG
    Katrin

  2. Au weia, dann geht es Dir also gleich. :-(( Hatte das noch unterschätzt. Ich dachte, sie ist doch schon so gross. Aber es ist halt schon ein grosser Umbruch, wenn da plötzlich ein Baby die Rolle als Queen der Familie ins Wanken bringt. Fühle ebenfalls mit Dir!
    LG
    MamaOTR

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert