LadyGaga kann nur schlecht mit Kritik umgehen. Wenn wir auch nur leicht mit ihr schimpfen, fängt sie an zu weinen und lässt sich kaum wieder beruhigen. Das führt manchmal sogar schon so weit, dass wir uns jeweils überlegen, ob sich das Schimpfen lohnt, da wir genau wissen, worin es ausartet: in einer Szene.
Aber auch wenn LadyGaga mit anderen Kindern spielt – und das tut sie sehr gerne – ist sie schnell beleidigt und zieht sich zurück, wenn nicht alle nach ihrer Nase tanzen.
Wenn wir Erwachsenen sprechen, quatscht sie drein «ich will öppis säge, ich will öppis sage»; obwohl wir sie jeweils ermahnen, dass sie ein laufendes Gespräch nicht stören darf.
Mit einem Satz: LadyGagas Frustrationstoleranz ist (noch) sehr sehr niedrig.
Dies erhöht wiederum zwangsläufig die Länge und Dehnbarkeit unseres Geduldsfadens, der regelrechten Zerreissproben ausgesetzt wird.
Frustrationstoleranz ist lernbar
Aus dem Internet erfahre ich, dass eine höhere Frustrationstoleranz lernbar ist. Man darf Kindern nicht aus falsch verstandener Sorge keine Enttäuschungen zumuten. Sie müssen lernen, mit Enttäuschungen umzugehen. Hier einige konkrete Tipps (siehe auch hier und hier):
- Dem Kind Aufgaben zuteilen, z.B. Tisch abräumen, und dabei konsequent sein («Du darfst erst XY machen, wenn der Tisch abgeräumt ist»).
- Nicht jedem (Spielzeug-)Wunsch sofort nachgeben, das Kind auch mal warten lassen («Ich schreibe noch schnell diese E-Mail, dann helfe ich Dir bei XY».
- Das Kind bei Gesellschaftsspielen auch verlieren lassen.
- Auch einmal Kritik anbringen. Die Beziehung zum Kind muss Disharmonie aushalten können.
- Gefühle, auch negative, benennen.
- Positives Verhalten loben.
Diese Tipps klingen wunderbar. Nur: Das machen wir alles bereits, das heisst wir ÜBEN dieses «Verbessern der Frustrationstoleranz» laufend. Es nützt nur alles nichts. Das möchte ich am Beispiel der Gesellschaftsspiele illustrieren.
Verlieren lernen
Mein Mann und ich spielen beide sehr gerne Gesellschaftsspiele und haben eigentlich Freude daran, nun zu dritt spielen zu können. Jüngst spielte ich also mit LadyGaga auf ihren Wunsch das Spiel «SOS Affenalarm» (mattel games, für 2-4 Spieler ab 5 Jahren). In diesem sehr gut gemachten Spiel geht es darum, ein Stäbchen einer vorher gewürfelten Farbe aus dem Affenbaum zu ziehen .Je nachdem fallen dann kleine Plastikaffen durch die Stäbe auf den Tisch und man muss die Affen aufsammeln. Derjenige mit den wenigsten Affen gewinnt. Einfach zu spielen, hoher Unterhaltungsfaktor – könnte man meinen. LadyGaga ist noch in einem Alter, in dem die Kinder schummeln, um zu gewinnen, das heisst sie dreht den Würfel auf die gewünschte Farbe. Das ist ja zwischendurch noch OK. Aber wenn man das Spiel nicht weiter spielen kann, weil sie einen beleidigten Tobsuchtsanfall bekommt, wenn ihr ein Affe herunterfällt – und sie dann trotzdem gewinnt, weil ich viel mehr Affen verloren habe, dann ist das einfach nur anstrengend. Vor allem, wenn man mit Engelszungen mit ihr sprechen muss, erklärt, veranschaulicht, argumentiert. Sie aber definitiv nicht einfach gewinnen lässt. Auf dem Bild sieht man sehr schön ihre Gemütslage…
So läuft es bei jedem Spiel. Wenn sie nicht jedes einzelne Mal gewinnt, wird sie sauer und UNAUSSTEHLICH. Gestern haben wir wieder zu dritt ein Spiel gespielt. Sie wurde dabei trotz aller Erklärungsversuche unsererseits so hysterisch (obwohl sie am Gewinnen war!!!), dass ich das Spiel entnervt abgebrochen und erklärt habe, dass ich so nicht mehr mit ihr spiele. Die Folge: Sie hat geschrien wie am Spiess. Wirklich. Wie. Am. Spiess.
Ich bin ratlos. Vielleicht hilft es ja, dass sie jetzt eine grosse Schwester ist und lernen muss zu teilen, auch mal zurückzustecken? Habt ihr Ähnliches erlebt und habt Tipps?
Hallo,
ich finde den Beitrag sehr spannend wenngleich mein Sohn schon deutlich älter ist (11). Ich erkenne aber vieles wieder – bis auf den Spieß, der ist immerhin nicht mehr dabei. Da der Beitrag nun 5 Jahre zurückliegt, hast Du bei den Bemühungen die Frusttoleranz Deines Kindes zu erhöhen Fortschritte machen können? Falls ja – was ich natürlich für Euch alle hoffe – hast Du Strategien gefunden, die diesen Lernprozess voranbringen? Also Situationen oder Verhaltensweisen, die Dein Kind unwissentlich oder wissentlich aufgenommen und verarbeitet hat und dabei geholfen haben seine Selbstwahrnehmung/Erwartungshaltung realistischer zu gestalten.
Ich wäre sehr an einer „Fortsetzung“ dieses Artikels interessiert.
Danke schon mal fürs Teilen.
Lieber Lars,
tatsächlich ist die Frustrationstoleranz meiner Tochter extrem gewachsen, seit sie einen kleinen Bruder hat und teilen MUSS. Das ändert aber nichts daran, dass sie mittlerweile ausflippt, wenn wir den kleinen Bruder beim Spielen gewinnen lassen /o\. Dazu ist zu sagen, dass auch mein Mann früher (als wir uns kennenlernten) ein schlechter Verlierer war udn er das erst lernen musste. ich denke also, es hat auch etwas mit den Genen bzw. dem Charakter zu tun. So oder so: Je älter die Kinder werden, desto besser wird es – irgendwie von alleine bzw. mit stetem Zureden und Zuhören und konsequent sein. Bei meinem Sohn stehen wir heute da, wo wir mit LadyGaga (heute 9) vor fünf Jahren standen. Ich hoffe, das hilft Dir irgendwie weiter! LG Séverine