Ich bin eine alte Mutter und das ist auch gut so

Es gibt Tage, da fühle ich mich furchtbar alt. Die Nacht war anstrengend, weil eines der Kinder wieder nicht geschlafen hat. Der Morgen zieht sich träge dahin, weil ich mich aufgrund des mangelnden Schlafes einfach nur wie ein Zombie fühle. Ein Zombie, der gefühlt 20-mal die Stunde gierig auf die Uhr schaut und nachrechnet, wie lange es noch geht, bis endlich Mittagsruhe ist – die Zeit am Tag, in der die Grosse alleine in ihrem Zimmer spielen muss und ich endlich endlich endlich den fehlenden Schlaf nachholen kann. Es kommt aber auch vor, dass ich morgens topfit aus dem Bett steige, nur um dann um 11 Uhr wieder als Zombie zu enden, der vor sich hinmurmelt: «Mittagsruhe. Mittaaagsruuuuheeee!» Schlafen, einfach nur schlafen.

Früher habe ich Flamenco und Standard getanzt, war nächtelang unterwegs in Diskotheken und Bars. Ich habe Profibillard gespielt und auch sonst viel erlebt. Wenn man mich heute nach meinem Hobby fragen würde, wäre meine Antwort wohl: «Mittaaagsruuuuheeee!»

Ich bin so müde, dabei arbeite ich zurzeit ja nicht einmal. Bin ich alt? Meine Mutter meint, mit 40 wäre die beste Zeit ihres Lebens gewesen. Sie war topfit und voller Tatendrang und wanderte damals mit Kind und Kegel nach Südamerika aus. Ich bin jetzt 37 und flippe schon aus, wenn ich nur die Koffer für unsere Ferien packen muss. Bin ich verweichlicht? Oder war sie nicht einfach JÜNGER? Ihre Kinder hatte sie mit 25 und 32, ich meine mit 32 und 37. Ist es besser, früher oder später Kinder zu kriegen? Und so fragt denn auch die aktuelle Blogparade von Topelternblogs: Sind spätere Eltern die besseren Eltern?
Tatsächlich geht der heutige Trend dahin, dass die Mütter, vor allem Erstgebärende, älter sind als in früheren Generationen. Grund dafür ist oftmals ein Studium, die Karriere, oder man hat schlichtweg den richtigen Mann noch nicht getroffen. Hier meine Überlegungen zu den wichtigsten Punkten, die für und gegen eine späte Mutterschaft sprechen. Es handelt sich dabei um die heiligen fünf: Zeit, Geld, Charakter, Fitness und Ommm.

Der Zeitaspekt
Nach dem Studium wollte ich zuerst einmal arbeiten, mich beweisen, meinen Wert auf dem Arbeitsmarkt erfahren. Man könnte nun meinen, dass ich mich aufgrund der späten Schwangerschaft mit 32 dann voll auf mein Kind hätte konzentrieren können. Aber dem war nicht so. Zu der Zeit, als wir probierten schwanger zu werden, erhielt ich nämlich ein Jobangebot als Chefredaktorin, das ich unmöglich ausschlagen konnte. Und wer wusste schon, ob ich tatsächlich schwanger werden konnte? Eine Woche, nachdem ich den Vertrag unterschrieben hatte, merkte ich, dass ich schwanger war. Halleluja. In die Freude mischte sich nun auch der Ehrgeiz. Wie so oft in meinem Leben befand ich mich zwischen Tür und Angel. So arbeitete ich also bis zwei Wochen vor der Geburt hochmotiviert und sehr sehr gestresst 100%. Drei Monate nach der Geburt stieg ich mit 80% wieder ein. Eine Schaffenspause war karrieretechnisch undenkbar. Hatte ich also als «alte» Mutter mehr Zeit für mein Kind? Nein. Fakt ist also: Zeit hat nichts mit dem Alter zu tun.

Der Geldaspekt
Da ich zum Zeitpunkt der Geburt mitten im Berufsleben stand und auch schon einiges erreicht hatte, hatten wir keine Geldprobleme. Bei zwei guten Einkommen lag durchaus auch Luxus drin. Wir entschieden uns also zu bauen, damit unsere Kinder in einem Haus aufwachsen können. Die Hypothek des Hauses bewirkte aber wiederum, dass ich definitiv weiter arbeiten MUSSTE, um unsere Existenz zu sichern. Denn hat man erst einmal Geld erwirtschaftet, ist es schwer, zurückzustecken. Man gewöhnt sich an den Luxus, jeden Tag einen vollen Kühlschrank zu haben. Ich denke, als junge Mutter ist einem dieser Luxus vielleicht nicht so wichtig. Mit 37 habe ich andere Grundbedürfnisse wie mit 20. Als spätere, ältere Mutter gebe ich aber wohl mehr Geld für meine Kinder aus (die nämlich mein wahrer Luxus sind), als ich es mit einem kleineren Budget machen würde. Brauchen die Kinder das wirklich? Ich denke nicht.

Der Charakteraspekt
Charakter bildet sich mit der Zeit aus. Mit 20 wusste ich noch nicht, was ich vom Leben erwarten kann, wohin mein Weg geht und wer und was ich bin. Man sucht sich selbst. Kann man Kinder gross ziehen, wenn man selber noch nirgends angekommen ist? Klar. Ich für mich bin aber froh, dass ich mir in meinem 20er Jahren sozusagen die Hörner abgestossen, viel probiert und wieder verworfen habe, ohne Rücksicht auf irgendjemanden. Ich habe genug erlebt, um heute nichts zu vermissen, wenn ich wegen der Kinder zurückstecken muss. Und ich muss mir nicht mehr beweisen, wer ich bin, weil ich es schlichtweg WEISS. Allerdings habe ich dazu auch erst durch das Muttersein gefunden, weil ich mich in der Mutterrolle neu er-funden und ge-funden habe. Ich mag mich als Mutter. Und als Businessfrau. Wenn ich jung Mutter geworden wäre, hätte ich für meine persönliche Charakterprägung ganz viel Erfahrung verpasst, die ich gebraucht habe. Damit will ich keine junge Mutter schlecht machen, ganz im Gegenteil, wie im nächsten Punkt deutlich wird. Für mich hat es aber so gepasst.

Der Fitnessaspekt
It’s a fact: Ich bin sowas von Couchpotato. Am liebsten bin ich zuhause, räume auf, miste aus, schreibe, lese, koche. Spielplätze sind mir ein Gräuel. Zum Muki-Vaki-Turnen habe ich meinen Mann geschickt, damit er schliesslich „auch mal was“ mit der Tochter macht. Sport ist einfach nicht mein Ding. Ich renne den Kindern nicht gerne nach („ach, LadyGaga weiss ja, dass sie nicht auf die Strasse rennen darf…“ Ups, Rabenmutter). Mit 20 war ich viel fitter, schon alleine durch das viele Tanzen. Ich machte die Nächte durch, am besten noch mit viel Alkohol. Wäre ich eine junge Mutter, hätte ich also heute viel mehr Elan und wäre nicht bereits um 11 Uhr eine wandelnde Leiche mit geschminkten Augenringen. Hätte hätte Fahrradkette. Aber eben, dann hätte ich damals wohl kaum tanzend die Nacht zum Tag machen können. Aber als ältere Mutter bin ich heute sehr oft müde bis auf die Knochen, bis in die Essenz meines Seins. Das finde ich gar nicht toll.

Ommmmm
Ich glaube, dass man mit dem Alter zwingend mehr Ommmm entwickelt. Gelassenheit ist etwas, das erst mit der Erfahrung wirklich wachsen kann. Wer zum hundertsten Mal vom Chef angepampt wird, ist tendenziell (hoffentlich) lockerer drauf als ein Frischling frisch ab der Ausbildung. Man nimmt Dinge weniger persönlich (aber immer noch!!). Auch Erkenntnisse des Lebens härten ab, so wie Fusssohlen mit den Jahren verhornen. Man lässt sich kein X für ein U mehr verkaufen – speziell nicht von den eigenen Kindern! Kinder geben einem eine Gelassenheit, die man nicht für möglich gehalten hätte. Vermutlich kann man das Ommmm des Lebens somit bereits als junge Mutter zelebrieren. Es sind die Kinder, nicht nur das Alter alleine, die uns ins Lot bringen.
Dank der Erfahrung in meinem Berufsleben sehe ich viele Dinge bei meinen Kindern und umgekehrt nicht so eng. Mitarbeiter verhalten sich nämlich oft wie Kinder, da lernt man also sozusagen auch fürs Leben. Fazit: Erfahrung lehrt einen das Ommm des Lebens (ein Glas Whiskey kann manchmal den gleichen Effekt haben), aber auch Kinder härten ab. Wer einen Gummiball zuhause hat, der von 5.30 Uhr morgens bis spät abends aktiv ist, MUSS Ommmmm haben (oder wiederum einen Whiskey, siehe oben). Ob jung, ob alt – Ommmm ist überall!

Der wichtigste Aspekt zum Schluss
Den wichtigsten Punkt nenne ich zum Schluss: er heisst HA!!! Meine Auflistung hat hoffentlich gezeigt, dass es egal ist, wie alt man als Eltern ist. Junge Eltern sind vielleicht fitter, flexibler, unaufgeregter. Ältere Eltern sind vielleicht etwas ruhiger und im Leben angekommen. Das muss aber überhaupt nicht so sein! Wie überall kommt es auf die individuelle Situation an. Oder eben: Ha! Das Leben hat sowieso seine eigenen Regeln und lässt sich nicht schubladisieren. Wir sind so gut als Eltern, wie wir es zulassen. Aber ein bisschen weniger müde wäre ich schon sehr gerne.

Wie seht ihr das? Seid ihr alte oder junge Eltern und was findet ihr gut daran? Ich bin gespannt auf Eure Kommentare.

 

8 thoughts on “Ich bin eine alte Mutter und das ist auch gut so

  1. Könnt ihr mal mit den Blogparaden erst starten, wenn meins endlich läuft? 😀 Also so in 2 – 3 Wochen? ^^

    Wir sind übrigens erst mit 33 Eltern geworden und waren damit knapp unter "Risikogruppe".. und selbst da fühle ich mich schon "alt". Das Toben.. rumhüpfen.. unsere Tochter ist so gelenkig und überraschend kräftig. Da kann ich nicht immer mithalten (wahrscheinlich auch, weil ich keine Sportskanone bin).

    Andererseits sehe ich das so wie du: Meine Frau und ich haben uns beide so weit entwickelt, das wir erst mit 30 überhaupt an Kinder gedacht haben. Vor der 30 hätte das nicht wirklich funktioniert. Sollte es noch ein Geschwisterchen geben, wird das auch erst in 2 – 3 Jahren folgen.. Dann sind wir definitiv extremste Risikogruppe nach der Ärztedefinition.

  2. A la "Man ist so alt wie man sich fühlt" gibt es als junge und als alte Eltern vieles, was man mit einer positiven inneren Einstellung wesentlich besser übersteht.
    Etwas älter macht der Schlafmangel mehr aus, etwas jünger vielleicht der Verzicht auf Freizeit.
    Beides hat jede Menge Vor- & Nachteile, aber "et kütt wie et kütt un is noch imme joht jejange" wie es der Rheinländer so schön sagt!

  3. Du bist keine alte Mutter, in meinen Augen. Ich kenne Frauen, die mit dreißig "alt" und behäbig sind und auch Fünfzigjährige, die Marathon laufen. Besser oder schlechter, wer könnte das beurteilen? Unsere Kinder eventuell. Als ich vierzig war, sagte mir ein Medizinergremium: "Das wird nix mehr!". Tja, das-wird-nix-mehr ist jetzt zehn Monate und ich bald fünfundvierzig 🙂 Ganz viel OMMMMMM. Danke für den schönen Text, ich habe ihn mit Genuss gelesen, wie alles von Dir. Sonnige Grüße!

  4. Ein tolles Fazit zum baldigen Ende meiner Blog-Parade – danke schön für deine Beteiligung!
    Wie Rike anmerkte, kann man auch mit 30 schon sehr alt sein, was ich aus eigener Spielplatz- und Elternversammlungserfahrung bestätigen kann. Und du schreibst ja auch sehr richtig, dass es auf die individuelle Situation ankommt.
    LG Anne

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