Die Lunchbox – Essen für Kinder Teil 1

LadyGaga ist heute den sechsten Tag im Kindergarten gewesen (in der Schweiz ist das so etwas wie eine staatliche Vorschule). Sie geht am Morgen alleine bzw. mit dem um ein Jahr älteren Nachbarsjungen hin. Mulmig ist mir schon, aber sie fand bereits am Montag, dass sie das jetzt alleine könne. Also lasse ich sie ziehen. Wir wollen, dass sie fliegen, und haben dennoch Angst, dass sie fallen… Ich hole sie aber am Mittag jeweils ab, weil dann der Nachbarsjunge von den vielen Freunden abgelenkt ist, mit denen er herumrauft. Ganz alleine lasse ich sie dann doch noch nicht gehen. Aber sicher sehr bald.

So ein Schulanfang hat es ja in sich. Jede Mutter und jeder Vater hat da sicher andere einschneidende Erlebnisse, die sie/er damit verknüpft. Die Angst um das Kind, die Sorge, das Vermissen, Stolz… Bei mir ist es noch etwas ganz Anderes. Ich bin angepisst. Jawohl. Und das kam so:

Am ersten Tag (als ich mit dem schreienden Copperfield vor der Türe ausharrte) bekamen die Kinder unter anderem ein foliertes, beidseitig beschriftetes Informationsblatt zum Thema «Gesundes Znüni» (so heisst bei uns die Zwischenmahlzeit am Morgen) des Departements für Gesundheit und Soziales.

Ich las das Dokument kopfschüttelnd durch. Zum Znüni erlaubt sind Früchte und Gemüse blabliblabla. Exotische Früchte wie Bananen solle man nicht regelmässig mitgeben und «bevorzugen Sie beim Kauf von exotischen Früchten zuerst das Bio- und Fairtrade-Angebot». Fruchtsaft nur mit Wasser gemischt im Verhältnis 1:2. Weisses Toastbrot ist nicht zu empfehlen. Biscuits (Kekse) gehen gar nicht und werden gleichgesetzt mit Chips und gesalzenen Nüssen. Zopf? No way. Was geht: Reiswaffeln (schöne Grüsse an das Styropor), trockenes Ruchbrot (ohne Belag!). Stangensellerie (klar, isst ja jedes Kind gerne) und Fenchel (huh? vormittags??) sind top. ABER: Früchte und Gemüse immer nur zur Saison einkaufen, gell?!

Wie gesagt, ich schüttelte den Kopf. Und gab meiner Tochter an Tag 2 neben Heidelbeeren und Cherrytomaten noch ein Toastbrot mit Butter und Marmelade mit. An Tag 3 auch.
Am Montag nun habe ich ihr neben Früchten DAS mitgegeben:

Das sind Getreidecracker, gefüllt mit Joghurt-Beerenpaste. Mittags kam LadyGaga aus dem Kindergarten und sagte als erstes: «Die Cracker durfte ich nicht essen. Ich soll Dir ausrichten, dass das viel zu süss für mich ist!»
In mir explodierte in dem Moment eine Handgranate. Aber ich liess mir nichts anmerken, um meine Tochter nicht zu irritieren. «Ach ja?», frage ich zuckersüss . Sie ergänzte fröhlich: «Ja, die Frau X hat gesagt, dass Du mir das nicht mehr mitgeben darfst.» «Und die andere Kinder?», bohrte ich nach. «Die hatten Gemüse dabei. Die durften alles essen.»

That’s the case. Ich bin also ziemlich wütend. Immer noch. Viereinhalb Jahre lang habe ich meine Tochter bisher (zusammen mit ihrem Papi natürlich) erzogen, mit ihr gerungen, gestritten, geweint und gelacht, in guten wie in schlechten Zeiten sozusagen. Wir haben das alles allein gemacht. Ich habe ihr beigebracht, was gesund ist, was man in Massen (in der Schweiz gibt es kein «zs», ich meine also Maaaa-ssen) geniessen darf und soll. Sie hat eine gute Figur und ist – anders als ich – definitiv nicht übergewichtig. Sie isst viel Gemüse und Obst und isst nie über den Hunger hinaus. OMG, sie kann mit Wonne einen ganzen Teller Broccoli essen (ich hasse das Zeugs). Sie isst normal, trinkt Wasser. Und dann kommt da das Schulsystem und will mir vorkauen, was ich meinem Kind zu essen geben darf? Wegen eines Scheisscrackers?!?! Ich glaube, jetzt hackt’s!!!

Jetzt fängt‘s an – gefangen im System
Tja, so sieht es wohl aus. Viereinhalb Jahre lang hat mir keiner vorgeschrieben, was ich mit meinem Kind zu tun und zu lassen habe. In der Kita richtet man sich nach den Wünschen den Eltern, die ja für die Betreuung bezahlen. Die staatlich angestellten Lehrer bezahlen wir auch, aber nur indirekt durch die Steuern. Sie handeln nach dem Staat. Und der sagt, dass es eine Gesundheitsprävention geben muss, um Übergewicht bei Kindern vorzubeugen. Das finde ich ja im Prinzip toll. Aber verdammt nochmal, doch nicht in der zweiten Kindergartenwoche!! Wegen eines Scheisscrackers. Das grenzt an Schikane. Ja, ich bin wirklich angepisst.

Ob ich etwas sagen werde?
Nein, werde ich nicht. Ich fürchte mich davor, dass durch meine Intervention LadyGaga bei der Lehrerin schlechter dasteht. Noch schlimmer: Ich packe jetzt brav Styropor Reiswaffeln in die Lunchbox. Weil ich nicht will, dass die anderen Kinder plötzlich über LadyGaga lachen, weil sie wieder von der Lehrerin das Essen verbietet kriegt. Diskriminierung beginnt also bei der Lunchbox, da haben wir es. So funktioniert also die Kontrolle durch die Gesellschaft: Selbstregulation.

Ich kleiner Rebell
Ich habe aber trotzdem Babybananen gekauft, weil die einfach super in die Lunchbox passen. Mein Mann meinte gestern Abend johlend, wir könnten doch ein Fairtrade-Zeichen draufmalen – oder von einer anderen Banane den Kleber klauen.

Ich habe aber trotzdem Angst, dass es dann plötzlich heisst: «Im August bitte keine Orange essen – Die Saison beginnt erst im November!»

In meinem nächsten Post Rant spreche ich dann über Babynahrung – da hab ich auch SO NEN HALS! Ihr dürft gespannt sein!

Jetzt aber interessiert mich: Habt ihr auch schon ähnliches erlebt wie ich mit meinen Crackern? Dann her mit den Stories!

22 thoughts on “Die Lunchbox – Essen für Kinder Teil 1

  1. Oarrr.. auf sowas warte ich ja auch noch..

    Habe was ähnliches in Bezug auf "gesunde Ernährung" erlebt. Habe mit dem Mini-Göörl einen Kinderbewegungs-kurs gemacht, bei dem die Kinder nach der Hälfte der Zeit für ein kleines Frühstück um den Tisch herum sitzen sollten. Am ersten Tag hatte ich (da das Mini-Göörl zuhause schon gut gegessen hat) nur die Mini-Butterkekse von Leibnitz mit. Eine der anderen Mütter: Ahh, bei Euch gibt es schon die "Leeeeeibnitzkekse". Also bei uns gibt es die ja noch nicht.. Ihr Sohn war knapp 2 Monate jünger (13 Monate).

    Ich wurde seitdem immer beäugt.. ich kenn da ja aber nix und habe damit auch immer geprickt..ich will dann immer Reaktionen sehen 🙂

    Mein Kind ißt fast alles was ich ihr vorsetze. Aber nur in Mükro-Portiönchen. Außerdem klaut sie immer bei den anderen – ich denke mal, dass das vielleicht später ein Problem werden könnte 🙂

    Ich muss aber sagen, das mir das auch gewaltig auf den Zwack gehen würde, wenn meine mit so´nem Spruch ankommen würde.

    Ich schicke Dir ein dickes WUUSAAA..

    LG Nicola

  2. Oar… dazu fällt einem ja nicht wirklich was ein.
    Erlebt habe ich sowas bisher eher selten. Allerdings versuche ich auch immer wirklich "gesunde" Sachen einzupacken plus halt ein Teil Süßes. Meistens ist das ein Müsliriegel, Knoppers oder Hanuta oder so.
    Als der Knirps noch in den Kindergarten ging, bekam er meistens Müsliriegel, weil auch hier die Süßen Sachen "verboten" waren. Hier wurde zwar auch mit gesund argumentiert, aber in erster Linie auch mit dem Futterneid der anderen Kinder, was für mich durchaus nachvollziehbar ist. Ich weiß auch, dass zum Beispiel Fruchtzwerge nicht gerne gesehen waren. Aber hatte der Knirps doch mal einen mit, durfte er ihn essen. Es wurde ihm nie sein Essen verboten.
    Und genau da würde ich einschreiten und wirklich das Gespräch mit den Erziehern/Lehrern suchen. Denn es ist eben DEIN Kind und DU entscheidest, was dein Kind isst. Niemand sonst. Willst du dich allerdings den Vorgaben beugen, dann gib halt die pappigen nach nichts schmeckenden Reiswaffeln mit. Ich sehe das Problem nicht, sofern 3/4 des Frühstücks aus gesunden Sachen bestehen.

    LG Nessa

  3. Kann ich nur zu gut.
    Meine Beiden bekommen trotzdem seit Jahren ihr Nutellatoast mit, denn das ist so das einzig "Süße" was es bei uns von Natur aus gibt…
    Ich war so frei, und hab für die Ferien sogar jedem sein eigenes großes Glas spendiert 🙂

  4. Danke für Deinen Input! Das mit dem Futterneid hatte ich nicht bedacht… Das hat noch was. Aber ob wirklich ICH bzw. WIR noch entscheiden, was unser Kind isst? So wie es aussieht eben nicht – und das nervt mich. Und dass der Zeigefinger erhoben wird: "Sie ernähren Ihr Kind falsch" – so kommt es bei mir zumindest an. Dabei achte ich so darauf, dass sie gesund isst. Jeden Tag frisches Gemüse, Obst… Dann ärgert mich so was schon.

  5. Was ist denn ein WUUSAAAA? 🙂
    Stimmt, bei anderen Müttern hab ich auch den Drang, Reaktionen hervorzurufen. So wie gestern, als ich einer anderen Kindergarten-Mutter gesagt habe, dass ich es kaum erwarten kann, dass Copperfield endlich Brei isst. Hahaha!

  6. Das bleibt mir zum Glück noch ein Weilchen erspart (hoffentlich), aber da kann man sich schon drüber ärgern! Futterneid wäre zwar schon noch nachvollziehbar, aber ich würde doch als Erzieherin nie dem Kind vor allen anderen Kindern sagen, dass es sein Essen nicht essen darf, sondern stattdessen lieber einen Zettel mitgeben und es direkt mit den Eltern besprechen. Wie steht denn das Kind sonst vor den anderen da?
    Haha, und Blevita-BeerenJoghurt ist zu süß? Blevita sind doch nun wirklich die Standardcracker auf dem Spielplatz! Wenn's nun Milchschnitte oder Schokoriegel gewesen wären…
    Ich wünsch euch starke Nerven 🙂

  7. Ich finde es generell sehr gut, wenn auf das Essen geachtet wird. Es gibt nunmal Eltern, die geben ihren Kinder wirklich, richtige Süßigkeiten mit. Dieser Erdbeercracker zählt definitiv nicht in die Kategorie Süßigkeiten, zumindest für mich. Das Verhalten der Erzieherin finde ich absolut schrecklich und vorallem unprofessionell, sie hätte das lieber mit dir besprechen sollen, als deiner Tochter indirekt ein schlechtes Gewissen zu vermitteln, dass ihre Mutter was falsch gemacht hat. Zudem sollte sie soviel Sachverstand haben zu sehen, ob es sich bei euch um eine dieser Familien handelt, die nur Ungesundes mitgeben oder eben einen kleinen, süßen Snack, über den sich jedes Kind nunmal freut.

  8. Ich denke, dass es mehreren Eltern so gehen könnte. Und ich denke, dass man dagegen vorgehen sollte und muss.

    Es ist die Verantwortung der Eltern und nicht die der Schule, was das Kind isst, wo die Eltern einkaufen gehen etc. Die Schule darf m. E. allenfalls Empfehlungen geben für eine Zwischenmahlzeit, mehr nicht.
    Das Merkblatt heißt ja auch nicht "Anweisungen …" oder "Festlegungen …" sondern Tipps.
    Evtl. hat die die Lehrerin eigenmächtig ihre Kompetenzen überschritten.

    Ob FairTrade und Bio wirklich besser/wirtschaftlicher/umweltschonender sind, ist aus meiner Sicht nicht nachgewiesen, da wird viel Nepp damit gemacht. Wie kommt die Schule dazu, sowas vorzuschreiben?
    Ich denke, auch rein rechtlich dürfte das nicht okay sein.

    Wenn die Schule sich derzeit ermächtigt fühlt, derart übergriffig vorzugehen, wird man das auch in anderen Lebensbereichen tun, und das gilt es meiner Meinung nach zu unterbinden.

    Wenn mehrere Eltern Einwände haben kann auch nicht ein einzelnes Kind ausgegrenzt werden weil die Eltern sich nicht an die Tipps halten.

    Liebe Grüße
    Johanna

  9. ich kann gut verstehen, dass sich niemand reglementieren lassen möchte, allerdings kann ich mir vorstellen, dass es eher das processed food ist (also vorgefertigt und abgepackt), was die gemüter erregt – und da muss ich der vorschultante recht geben – die mahlzeiten sollten von dir zubereitet werden, damit dein kind nicht unkontrolliert mit zucker, salz und fett zugebombt wird. kinder brauchen keine speziellen lebensmittel und fruchtzwerge oder kinderwurst sind nicht gesund, weil für kinder gemacht, sie sollen die kinder an den übersüßen geschmack gewöhnen. wenn du es ihnen jetzt nicht beibringst, wie sollen sie es dann lernen? deshalb finde ich es gut, dass auf "im system" auf ernährung geachtet wird.

  10. Nein, das habe ich noch nicht erlebt, aber wenn es so gewesen wäre, hätte ich mich auch angepisst gefühlt!!! Und ich hätte ganz bestimmt nicht den Mund gehalten.
    Natürlich wird hier zu Hause, damals in den Kindergärten und jetzt in der Schule auf gesunde Ernährung geachtet. Aber meine Kinder bekommen hier und da mal ein Schmankerl mit. Das würde ich mir sicher nicht verbieten lassen, es hat aber auch noch niemand versucht.
    Ich finde es ja prima, wenn auf gesunde Ernährung geachtet wird, auch im Kindergarten, bei meinem Kleinen gab es z.B. nachmittags immer einen großen Rohkost- oder Obstteller. Das haben wir dann in den Ferien und auch heute noch für zu Hause übernommen (anstatt Keksen), eine tolle Sache! Da waren übrigens auch Bananenstücke bei;-)
    Einem Kind sein Essen zu verbieten und es (und die Mutter!), noch dazu vor versammelter Mannschaft zu tadeln, ist in meinen Augen wirklich das Letzte!
    Liebe Mama on the rocks, sei ein großer Rebell <3

  11. *gröööööhl*
    Bei uns hiess es zum Glück nur: "Bitte nichts mitgeben was an den Zähnen kleben bleibt – und Schoki können sie ja am Nachmittag zuhause essen."
    Wahrscheinlich machen sie das sowieso nur, weil sonst die biologisch-vegan-fairgetradeten Kinder mit ihren bemitleidenswerten Gurkenscheiben in epileptische Zuckungen verfallen, sobald die normalen Kinder ihre Schoki-überzogenen Farmerriegel auspacken. Und die Lehrpersonen das darauf folgende "Warum dürfen DIE und ich darf nicht" nicht aushalten möchten.

  12. DANKE, genau meine Worte!!! Blevita ist doch echt nicht (zu) süss und ein Standardcracker. Ich versteh wirklich die Welt nicht. Vielleicht liegt es am Alter der Lehrerin? Pssst, sie wird nächstes Jahr pensioniert…

  13. Danke für Deinen Kommentar! Ja, ich finde auch, man hätte uns direkt kontaktieren können, zumal ja bald der erste Elternabend ist. Nach einer Woche zu entscheiden, dass wir quasi nur ungesundes Zeugs mitgeben, ist einfach nur frech. To be continued, schätze ich.

  14. Hallo Johanna! Ein super Kommentar, danke! Du hast recht, es heisst "Tipps" und nicht "Anweisungen, war mir gar nicht aufgefallen. Das ist aber ein grosser Unterschied! Macht mich grad noch wütender. Ich habe bis jetzt 1 andere Mutter gefragt, aber die fand auch, dass das doch viel zu süss sei oO – da komme ich mir echt wie ein Alien vor. Mal schauen, was der Elternabend so hergibt.

  15. Danke für Dein Feedback! Ich gebe Dir recht, dass processed food nicht die Regel sein sollte – aber es obliegt uns Eltern, für die gesunde Ernährung unserer Kinder zu sorgen, und nicht der Schule. Natürlich kann man Empfehlungen abgeben, so wie auch im Kommentar von Johanna direkt über Dir erwähnt, aber es sollte keine Gemüsepolizei an der Schule geben. Im Alltag sind die Kinder mit diesen Lebensmitteln konfrontiert, und Verbote bewirken eher das Gegenteil. Das ist zumindest meine Meinung. LG, MamaOTR

  16. Krass, absolut krass – und total übers Ziel hinaus, wie bei Euch das Essen in der Betreuung reglementiert ist! Informiere Dich mal über Reiswaffeln, die Dinger sind alles andere als prall, sondern mittlerweile ziemlich in Verruf geraten. Sollten die Betreuer eigentlich mitbekommen haben!

  17. Ja, ich finde es auch ganz schlimm und einen Eingriff ins Familienleben. Ab der 1. Klasse ist es dann nicht mehr so, aber die nächsten zwei Jahre sind streng reglementiert, was das Essen anbelangt. Leider 🙁

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert