Meine 10 Lektionen über das Leben

2012 war ein schlechtes Jahr für mich. Dafür bin ich sehr dankbar, denn ich konnte viel lernen. Hier meine Lektionen – vielleicht ist ja auch etwas für Euch dabei?

Im Februar 2012 wurde ich arbeitslos, weil ich versucht hatte, meinen inkompetenten Chef loszuwerden. BAD, BAD CHOICE.

Lektion Nr. 1: Niemals versuchen, einen schlechten Chef zu eliminieren.

Über ihm sitzt meist ein Chef, der noch unfähiger ist. Du bist immer am kürzeren Hebel! Take it, change it or leave it.

Im März hatte ich eine sehr schmerzhafte, eitrige Stirnhöhlenentzündung mit Klinikaufenthalt und kurze Zeit später meine erste Fehlgeburt. Ich meldete mich für eine Weiterbildung an, die mich schon eine Weile interessierte und von der ich mir erhoffte, bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Ich war immer noch arbeitslos und hungerte nach geistigem Input.

Lektion Nr. 2: Durchhalten, durchhalten, durchhalten.

In den Sommerferien merkte ich, dass ich wieder schwanger bin. Mein Mann brach sich in der ersten Woche der Ferien das Sprunggelenk am Fuss und musste fortan für ein halbes Jahr einen Gips tragen. Was war passiert? In einem Freizeitpark rutschte er mit LadyGaga auf dem Schoss auf einem Filz-Teppich eine hohe Rutsche hinunter. Die Teppiche waren neu, es lief alles viel zu schnell. Unten gab es keine Auslaufstrecke für die schnellen Teppiche. Mann und Kind prallten mit Raketengeschwindigkeit gegen eine Metallplatte (!!!) am Ende der Rutsche. LadyGaga knallte mit dem Kopf (!!!) gegen die Metallschiene. Es ist ein Wunder, hatte sie nur einen Schock und nicht einmal eine Hirnerschütterung. Schutzengel sei Dank. Der war aber wohl so beschäftigt, dass für meinen Mann keine Zeit mehr blieb. Seine Schmerzensschreie verfolgen mich heute noch, es war wirklich furchtbar.

Lektion Nr. 3

Auch wenn man eine Spritzenphobie hat, schafft man es, seinem Mann täglich eine Thrombosespritze in den Oberschenkel zu setzen. Übertragen bedeutet das: Wenn es sein muss, packt man alles!

Lektion Nr. 4

Jeden Tag dankbar sein für unsere Schutzengel. Es könnte immer schlimmer kommen.

Wieder zurück aus dem Urlaub, meldete ich mich von der Weiterbildung ab, da ich schwanger war und ich mir nicht vorstellen konnte, das alles gleichzeitig zu stemmen. Ungefähr zur gleichen Zeit zerstritt ich mich mit meiner besten Freundin, da wir uns über die Erziehung unserer Kinder in die Haare gekriegt hatten. Bestes Beispiel für Mommy wars – sie wollte mir erklären, wie ich mein Kind zu erziehen hätte (und wenn Du das liest: Ich vermisse Dich heute noch!).

Lektion Nr. 5: Kinder verbinden nicht nur, sie können auch trennen. Meine Kinder sind mir wichtiger als alles andere.

Wenn man in der Schweiz arbeitslos ist, muss man von der jeweiligen kantonalen Arbeitslosenstelle aus Kurse besuchen, um Wege aus der Arbeitslosigkeit zu finden. Ich sträubte mich mit Händen und Füssen dagegen. Ich war Kader, ich war gut, mein Exchef der Idiot. So dachte ich. So einfach ist das aber alles nicht im Berufsleben.

Ich war in diesem Kurs die einzige Frau, zusammen mit 20 Männern, die alle um die 50-60 Jahre alt waren. Ich glaube, man hat mich in den falschen Kurs gesteckt, denn es gab auch einen Kurs für das mittlere Kader. Das war ich. Ich aber war im Kurs mit Geschäftsführern, die ihre Stelle verloren hatten, gestandenen Chefs, die plötzlich vor den Scherben ihrer Existenz standen. Was für ein Kontrast! Zuerst wurde ich belächelt. Über die Wochen habe ich es aber geschafft, mir Gehör zu verschaffen. Ich habe gelernt, mit Kritik umzugehen und andere Sichtweisen zu akzeptieren. Ich habe gelernt, respektiert zu werden und das Recht auf Respekt zu haben und auch durchzusetzen. Ich habe gelernt, etwas bewegen zu können:

Am Ende des Kurses hat uns die zugegebenermassen spirituell angehauchte Kursleiterin beigebracht, einen Löffel zu verbiegen. Dies ist kein Fake, es waren echte Löffel. Ich erzähle euch gerne, wie das passiert ist: Wir mussten auf dem Stuhl sitzen und bei geschlossenen Augen beide Beine fest auf dem Boden verankert haben. Dann zeigte uns die Lehrerin eine spezielle Atemtechnik, mit der etwas, das sie als «Feueratem» bezeichnete, gebündelt wird. Wir machten Schritt für Schritt mit ihr zusammen durch, aber ich könnte das nicht im Detail erklären. Ich kann mich nicht erinnern. Es kam mir jedenfalls sehr merkwürdig vor und ich hatte Mühe, mich zu konzentrieren. Ich rieb an diesem doofen Löffel und haderte mit mir und meinem Leben. Ich versuchte, den Atem wie erklärt zu neutralisieren, aber ich konnte meine negativen, von Zweifel zerfressenen Gedanken nicht loslassen: «Es klappt sowieso nicht, das kann nicht funktionieren, warum sollte das gehen!» Ich sagte das immer wieder auf, vermutlich, um mit der Enttäuschung des Versagens umgehen zu können. Und plötzlich spürte ich, wie der Löffel in meiner Hand heiss und schwummig wurde. Wie von alleine konnte ich mühelos, ohne jegliche Gewalt, den Löffel biegen. Ich machte die Augen auf und starrte fassungslos auf den Löffel: Ich. Hatte. Das. Geschafft. Obwohl ich nicht daran geglaubt hatte. Obwohl ich nicht AN MICH geglaubt hatte.

Lektion Nr. 6: Man muss nicht an sich glauben, um etwas zu erreichen. Aber praktischer wäre es schon.

Noch während des Kurses hatte ich meine zweite Fehlgeburt, die ich nur sehr schwer verarbeitet habe. Ich war immer noch arbeitslos. Jetzt war klar: Ich MUSS diese Weiterbildung machen. Am Montag nach der Ausschabung meldete ich mich wieder für die Weiterbildung an. Das gab mir die Kraft, die schweren Tage und Momente durchzustehen. Ich hatte einen Lichtblick am Ende des Tunnels!

Lektion Nr. 7: Unmögliche Dinge sind möglich.

Lektion Nr. 8: Der erste Gedanke ist oftmals der richtige! Ich hätte mich gar nicht abmelden sollen von dem Kurs.

Während der Arbeitslosigkeit ist man von Staates wegen angehalten, x Bewerbungen pro Woche zu schreiben, was auch belegt werden muss. Als Fachjournalistin sind die Stellen aber begrenzt. Ich bewarb mich also unter anderem auch als Wirtschaftsredaktorin (ich habe KEINE Ahnung von Wirtschaft…), als TV-Produzentin (??) als X und Z. Zum Teil klatschte ich die Bewerbungen einfach zusammen, nur damit etwas getan war. Und für eine dieser lieblosen Bewerbungen wurde ich zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Huh?

Zu jener Zeit musste ich meinen Mann jeweils mit dem Auto zu seiner Arbeit fahren, da er aufgrund seines Bruchs geh- bzw. fahrbehindert war. Ich lud ihn also bei Arbeitsstelle ab und wollte gerade losfahren, um mit dem Auto nach Bern zum Gespräch zu fahren. DA KNALLTE ES. Ich bin mit unserem Auto frontal (!!!) in einen Linienbus gefahren. Zwar nur mit 20 kmh, da ich gerade um die Ecke gebogen war. Aber es knallte wirklich heftig. Ich weiss noch, wie ich wie in Trance im demolierten Auto sass. Motor abstellen. Handbremse anziehen, wo ist die Handbremse? Ich stand total unter Schock. Mein Mann kam herbeigehumpelt, er hatte alles mitansehen müssen. Mein Schutzengel hatte viel arbeiten müssen, und auch im Bus war zum Glück niemand verletzt. Fazit: 20‘000 Franken Busschaden, 6‘000 Franken an unserem Auto. Den Bus hat die Versicherung bezahlt, aber für unser Auto mussten wir selber aufkommen. Ich war emotional und finanziell am Boden.

Und nun? Ich rief die Dame an, die mich zum Vorstellungsgespräch eingeladen hatte und erklärte ihr, dass ich gerade einen Autounfall gehabt hatte und unmöglich nach Bern kommen könne. Sie hatte Mitleid mit mir und versprach, mit ihrer Vorgesetzten zu sprechen. Ich bekam einen unangenehmen Kloss im Hals. Ich wollte da nicht hin. Ich ging nachhause und heulte und heulte. Dann las ich die Mail: Sie würden mich an einem anderen Tag zum Vorstellungsgespräch für die Stelle einladen, ich solle mich melden. Eine Stelle, die ich gar nicht wollte! In mir drin rüttelte etwas. Warum hatte ich gerade einen Autounfall gehabt? War nicht genau DAS der Grund gewesen? Ein Zeichen dafür, eben NICHT zu diesem verhassten Vorstellungsgespräch zu gehen? Ich rief nochmals dort an und erklärte der Dame, dass ich nicht kommen würde, dass mein Leben momentan zu kompliziert sei und ich die Bewerbung zurückziehe. Sie wurde sehr böse, da sie sich für mich eingesetzt hatte. Aber es war die richtige Entscheidung.

Lektion Nr. 9: Hör auf Deine innere Stimme!

Lass Dich nicht verbiegen. Du weisst ganz genau, was gut für Dich ist, Du musst nur den Mut haben, auf Dich zu hören.

Am nächsten Tag begann die Weiterbildung zur Medienmanagerin. Ich wusste tief in mir drin, was mein langfristiges Ziel war: die Selbständigkeit. Und dafür würde mir die Weiterbildung das beste Rüstzeug mit auf den Weg geben.

Natürlich kam es wieder anders. Im Oktober 2012 wurde ich kontaktiert, weil der Verlag, bei dem ich gearbeitet hatte, verkauft worden war und der neue Besitzer mich als Chefredaktorin zurückholen wollte. Ich arbeitete also wieder. Die Arbeitslosigkeit war nach einem halben Jahr vorbei und plötzlich verlief die Weiterbildung berufsbegleitend – sehr zum Missfallen meines neuen Chefs.

Lektion Nr. 10: Manche Dinge erledigen sich von alleine.

Der Exchef, der für meinen Rauswurf verantwortlich gewesen war, wurde im Zuge des Verkaufs der Firma seinerseits rausgeworfen. (Nachtrag 22.5.19: Und mittlerweile ist er an Krebs gestorben)

Das Jahr ging zum Glück zu Ende, 2013 war dann stabil. 2014 im Februar habe ich nach zwei Jahren und hochschwanger mit Copperfield die (knallharte!) Weiterbildung zur Medienmanagerin abgeschlossen. Nach dem Mutterschaftsurlaub habe ich per Juli 2014 gekündigt. Bin ich nun seither Hausfrau und Mutter? Äh. Naja, das war ich ja eigentlich vorher schon, trotz Job. Eigentlich wollte ich jetzt ein, zwei Jahre pausieren und mich voll um meine Familie und den Blog kümmern. Aber wie schon so oft in meinem Leben lautet die Devise: «Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.» Mir hat sich die Gelegenheit geboten, als gleichberechtigte Partnerin in einen neu zu gründenden Verlag einzusteigen. ICH BIN JETZT SELBSTÄNDIG! Ich bringe meine eigene Fachzeitschrift für Ärzte heraus! Ich habe keine Ahnung, ob ich untergehen werde. Es ist ein grosses Risiko. Es macht mir Angst. Aber wenn ich zurückschaue, dann weiss ich, dass das genau der Weg ist, den ich gehen muss. Ich bin einfach nur happy.

 

Nachtrag vom 22.5.19: Ich bin nicht untergegangen, sondern sehr erfolgreich. Im Juni bringt mein Verlag das mittlerweile vierte Magazin auf den Markt. Glaubt an euch und eure Träume!

5 thoughts on “Meine 10 Lektionen über das Leben

  1. Ich wünsche dir ganz viel Glück für die Selbstständigkeit! 🙂

    Vor den Sommerferien habe ich meinen eigentlich "perfekten" Job geschmissen um nun nach den Ferien etwas völlig neues zu starten. Ob das klappt, weiß ich allerdings noch gar nicht. Ich bin eben volles Risiko eingegangen. Und jetzt heißt es hoffen, dass alles klappt.

    Grüßle 🙂

  2. Total schön geschrieben, auch wenn mir natürlich sehr leid tut, was dir alles widerfahren ist. Ich freue mich für dich, dass du nun positiv in die Zukunft schaust. Ich drück die Daumen, dass alles klappt. Aber wie heißt es doch immer: jede Reise beginnt mit einem ersten Schritt. Und losgelaufen bist du doch jetzt schon. 😉

    Liebe Grüße,
    Andrea

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