Zum ersten Mal allein mit einem fremden Kind

Der Tag musste ja kommen, und ich dachte, ich bin gewappnet. LadyGaga hat nämlich eine weitere Freundin zu uns nachhause eingeladen. Und so kam gestern zum ersten Mal ein Mädchen OHNE SEINE ELTERN zu uns. Nun gut, mit Annika hatte es ja wunderbar geklappt. LadyGaga sprühte letzte Woche vor Charme, es war eine Freude, die beiden unterschiedlichen Mädchen spielen zu sehen. Alles palletti.
Ähem.
Gestern also ein neues Mädchen. Die erste Stunde spielten sie ganz harmonisch. Zumindest war kein Streit zu hören, nur laute Musik, viel Gepolter und Gelächter. Yessss. Dann hatten die Mädels Hunger und ich offerierte frische Früchte. Alles wunderbar. Ich schickte die Girlies wieder ins Kinderzimmer und machte mich gerade tiefenentspannt an meinen PC, als ein Geheul erklang. Fünf, vier, drei, zwei…. LadyGaga stand weinend vor mir. Der Gast hatte ihr einen Tennisball ins Auge geknallt. Aus Versehen natürlich. Trotzdem super. Ich tröstete meine Tochter und schlug zur Ablenkung vor, dass ich ihnen eine Geschichte vorlese. Es wurde eifrig genickt, und so las ich zwei begeisterten Mädchen und einem dazwischengequetschten Copperfield eine Geschichte vor. Es gab Gelächter. Tippitoppi.

Ich schickte die Mädels wieder ins Kinderzimmer. Kaum machte ich mich an den PC (ihr erkennt das Muster?!), hörte ich meine Tochter brüllen. Ich eilte ins Kinderzimmer. LadyGaga hatte einen hochroten Kopf und brüllte immer noch: «Du respektierst einfach nicht, dass ich nicht mit Knetmasse spielen will! Das macht mich sauer! Ich bin jetzt echt wütend auf Dich, Du darfst nie mehr zu mir kommen! Du machst jetzt das, was ich sage!» Sie war ausser sich. Das Mädchen stand daneben und sagte – nichts. Es stand einfach nur stumm da und wartete meine Reaktion ab. Ich hatte Copperfield auf dem Arm und wusste nicht, was ich tun sollte. Ich schämte mich für meine Tochter, die hier so eine Szene hinlegte. Ich fühlte mich ohnmächtig. Was sollte ich also tun? Ich versuchte, LadyGaga zu besänftigen: «Aber LadyGaga, du hast doch einen Gast hier, Du kannst doch wirklich mit ihr mit der Knete etwas basteln…? Du spielst doch gerne mit der Knetmasse!» «Nein!!!!», brüllte sie. «Dann muss ich nachher wieder alles aufräumen, und darauf habe ich keine Lust!!!» Ich stand wie der Esel vor dem Berg. Wären wir alleine bzw. unter uns gewesen, hätte ich das Zimmer verlassen und sie einfach mal heulen lassen vor Wut (so wie heute…). Aber wir waren nicht alleine, und ich wollte sie nicht in eine emotional noch schwierigere Situation bringen. Was tut man also in so einem Fall? Ich tat das einzig richtige: Ich twitterte. Und bekam prompt Hilfe:

Ich machte also auf Deeskalation und bot den beiden Mädchen ganz untypisch für mich ein Eis an. Es funktionierte tatsächlich. Nach dem Eis essen gingen die Beiden wieder ins Zimmer und spielten friedlich, bis die Mutter des Mädchens wieder kam. Die Knetmasse wurde aber tunlichst nicht mehr erwähnt.

Fazit? Keins. Nur eine Erkenntnis: Meine Tochter benutzt das Wort «respektieren» wie auch andere Fremdwörter (heute: kryptisch) inflationär. Ich denke, das andere Mädchen war bei der Schreiattacke so still, weil sie LadyGaga schlichtweg nicht verstand. Ich sollte also mein Vokabular überdenken. Scheisse.
 
 

10 thoughts on “Zum ersten Mal allein mit einem fremden Kind

  1. Langfristig hilft da wohl nur eines: Den PC meiden.

    P.S. Die wahre Antwort auf alle Fragen ist also weder 42 noch Schnuller, sondern Eiscreme. Hätte ich doch gleich gedacht. Kchkchkch. Und der Wortschatz ist ja wohl Zucker! Einfach kryptisch!

  2. Sooo guet! Also echt.
    Ich sag mal, souverän mit Eis abgelenkt. Das bedeutet nur, immer genügend Süssigkeiten / Eis im Vorrat zu haben!!! Wenn LadyGaga allerdings dann jeden Tag jemanden mitbringt um eben diese zu bekommen… Ach was, soweit wollen wir ja nicht denken 😉 .
    Und den Wortschatz, den finde ich auch klasse.

  3. Hahaha 😀 Sehr gut!

    Aber ein Ortswechsel ist meist wirklich gut. Garten/Spielplatz – was hier immer geht: den Kindern eine Packung Straßenkreide in die Hand drücken und sie vorm Haus und auf der Straße malen lassen.

    Der Wortschatz ist top. Weitermachen.

    Wenn ich jetzt brülle und mich trotzig auf den Boden werfe, kriege ich dann auch ein Eis? 😀

  4. haha 🙂 Ich traue meiner Tochter durchaus zu, dass sie da schnell ein System dahinter erkennen würde und dann tatsächlich darauf spekuliert, etwas Süsses zu kriegen, wenn sie brüllt ;-)) Mist! Das nächste Mal nehme ich die Disko.

  5. Aaaaaaaahhhhhhhhhhh – ich liebe Deine Posts – ich werde noch süchtig nach ihnen!! Ergo – Du scheinst alles mehr als richtig zu machen *lach*

    Ich hab bei der Überschrift ja eher gedacht das das "fremde Kind" sich daneben benommen hätte – auch keine schöne Situation, aber wenn das eigene sich "daneben benimmt" ist auch nicht besser….

    Wir hatten gestern die erste Kindergarten.Situation. Leider hat sie niemand der Erzieherinnen mitbekommen (obwohl die daneben standen) und so musste ich "schimpfen" mit meinem Kind – war auch kurios, denn da bin ja nicht ich in der Aufsichtspflicht und hab nur das Resultat gesehen. Mottchen gab zwar alles zu – so ist sie dann ja eben noch in ihrem kindlichem Leichtmut, aber irgendwie hatte ich von den Erzieherinnen schon was andere erwartet….

  6. Ich bin erst gekommen nachdem alles passiert war und sie standen drum herum während es passierte. Ich hab es meinem Kind erklärt – hätte aber gedacht es fällt auf wenn sie einem anderen Kind etwas wegnimmt…..

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert