Ich bin nicht nur Schweizerin. Ich bin per Geburt auch Französin. Ich habe also beide Pässe. Also, ich hätte sie. Nur ist mein französischer Pass seit 2012 abgelaufen. Doch dazu später.
Als ich 2008 heiratete, liess ich die Ehe rechtmässig im französischen Register eintragen. Als LadyGaga auf die Welt kam, liess ich LadyGaga als Französin eintragen. Mit einer Riesenlitanei an Unterlagen, die ich unter anderem in Nantes, dem «Service central de l’Etat-Civil» bestellen musste, erhielt ich am Ende das französische Familienbüchlein, das in der Tat noch ein echtes Büchlein ist (in der Schweiz gibt es nur noch einzelne, geheftete A4-Dokumente). 2012 zogen wir um, ich meldete die Adressänderung wie immer auf dem französischen Konsulat in Zürich. Woraufhin ich vom Konsulat angefragt wurde, ob ich denn verheiratet sei? Offenbar war meine Ehe doch nicht eingetragen worden, obwohl ich im Besitz des Familienbüchleins bin. Also nochmals alle Unterlagen bestellt und eingeschickt. Kurze Zeit später erhielt mein Mann (Schweizer) einen Brief vom Konsulat, in dem er als französischer Ex-Pat in der Schweiz begrüsst wurde. Man lud ihn an eine Informationsveranstaltung ein, in der ihm das Wesen der Schweiz naher gebracht werden sollte.
2014 wurde Copperfield geboren. Ich zögerte das unvermeidbare Prozedere hinaus, aber ich wollte ja, dass Copperfield auch Franzose ist. Also nochmals alle Unterlagen eingesandt. Folgendes braucht es, um die Geburtsurkunde meines Kindes für Frankreich übertragen zu lassen:
- Ein ausgefülltes Antragsformular
- Original des Auszugs aus dem Schweizer Geburtsregister, aber Achtung: Es MUSS das Dokument «Extrait de l’acte de naissance (CIEC)» sein. Ausserdem auch noch gleich die Kopie davon ODER aber die Geburtsurkunde im Original (ja was denn nun?) und im Doppel
- Nachweis der französischen Staatbürgerschaft des französischen Elternteils oder beider Elternteile mittels Kopie recto/verso von ID oder Pass ODER Kopie des französischen Zertifikats der Staatszugehörigkeit ODER Kopie «du décret de naturalisation dans la nationalité française» (keine Ahnung, was das ist) ODER Kopie der Deklaration der eingetragenen französischen Staatbürgerschaft. Nun gut. Häh?
- Kopie recto/verso der ID oder vom Pass des nicht-französischen Elternteils.
- Original der französischen Eheurkunde, die nicht älter als 3 (!) Monate sein darf.
- Französisches Familienbüchlein
- Kopie der Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz für das Nicht-Schweizer-Elternteil
- Frankierter und adressierter Umschlag
Punkt 3 war tricky. Mein Pass ist abgelaufen, andere Ausweise habe ich aber nie machen lassen. Also schickte ich eine Kopie meines Konsulatsregistereintrags ein. Ich bin ja registriert bei denen, die wissen ja, dass ich Französin bin! Die französische Eheurkunde habe ich auch nicht nochmals bestellt. Das heisst, ich wollte es, aber das Online-Tool von Nantes hat versagt und meine Bestellung nicht akzeptiert. Ich gab auf. Die Ehe ist ja definitiv eingetragen, die müssen nur nachschauen dort in Zürich!
Dumme, dumme Mama on the rocks.
Sechs Wochen (!), nachdem ich die Unterlagen eingeschickt hatte, erhielt ich eine Mail vom Konsulat: Sie bräuchten bitte noch eine Kopie meines Ausweises. Ich schickte konsterniert die Kopie meiner Schweizer ID. Das muss beim konsulatorischen Gegenüber vehementes Kopfschütteln ausgelöst haben, denn ich bekam flugs die Antwort: den FRANZÖSISCHEN Ausweis bitte. Habe ich aber nicht. Ich schickte den abgelaufenen französischen Pass. Ich wollte ja nur meinen Sohn eintragen lassen, die sehen doch in ihren Unterlagen, dass ich Französin bin! Lange Rede kurzer Sinn: Nach fünf E-Mails war klar: Ich MUSS jetzt einen Pass machen lassen, sonst wird mein Sohn kein Franzose. Obwohl ich ja in Frankreich eingetragen bin und die alle Dokumente haben. Irgendwo zumindest!
Ihr denkt nun, das sei es gewesen? Non!!
Einen Termin auf dem Konsulat macht man online ab. Ich klickte mich also sehr nervös und hochkonzentriert durch die Anmeldung (englisch!)
Ich bekam es mit der Angst zu tun und hatte das Gefühl, das Konsulat stehe hinter mir und schaue mir über die Schulter zu. Den Termin konnte man aussuchen und anklicken. Es wurde darauf hingewiesen, dass man pünktlich erscheinen muss, sonst verfällt der Termin. Pro Anfrage muss man einen neuen Termin lösen. Wer also Pass und ID bracht, muss zwei Termine ausmachen. Als endlich endlich alles ausgefüllt war, kam das:
Dieses eine Dokument stellte sich als der heilige Gral heraus. Man MUSS es ausdrucken, und nur mit diesem Wisch kommt man ins Konsulat rein. Man musste es speichern. Schweissperlen bildeten sich auf meiner Stirn (und ich schwitze nie!). Ich rief meinen Mann, damit er mit hilft, den richtigen Knopf zu drücken. Er kam zu mir und drückte auf «PRINT». Alle Fenster schlossen sich und wir waren wieder am Anfang der Anfrage. Der Drucker blieb stumm.
Ein Wimmern entwich meinen Lippen. Dann heulte ich hysterisch auf.
Gut, mein Mann kam, sah und siegte schliesslich: Er fand das Dokument dann doch noch irgendwo versteckt (vermutlich am gleichen Ort wie mein nicht auffindbarer Eintrag ins französische Register). Wir druckten das Blatt aus. Es hat einen Barcode drauf, deshalb muss man es beim Termin dabei haben.
Ich bestellt dann doch nochmals eine Geburtsurkunde in Nantes, sicher ist sicher.
Ihr meint, das war alles? Eh non!
Die Woche vor dem Termin erhielt ich JEDEN Tag eine standardisierte E-Mail des Konsulats, ich solle den Termin nicht vergessen und bitte das beiliegende Dokument (den doch nicht so heiligen Gral!!!) ausdrucken und mitbringen. Hochoffizielles Stalking. Ich bekam es nun wirklich mit der Angst zu tun und wurde immer nervöser.
Letzten Freitag war es dann soweit. Ich war überpünktlich in Zürich vor Ort, klingelte und… man liess mich hinein. Ich sagte: Mama on the rocks, 9.30 Uhr Termin für den Pass. Mein Name wurde mit Marker gehighlightet (was für ein Wort) und ich wurde gebeten, im Wartesaal Platz zu nehmen. Merkt ihr, was fehlt?
Schon kurze Zeit später war ich dran, und man verlangte nach meiner französischen Eheurkunde. Ich war drauf und dran zu sagen: «Die habe ich nicht dabei, aber ich hätte da einen tollen heiligen Gral für Sie…». Stattdessen machte ich auf französischen Smalltalk blabliblabla… «die Urkunde haben Sie doch schon…? Abteilung Etat Civil?» Die Dame schaute im System nach und nickte dann. «Aber die Geburtsurkunde ist zu alt, wir brauchen eine neue.» WTF?! Stattdessen sagte ich: «Ach so, ja die habe ich bestellt in Nantes. Aber Sie wissen ja, Behörden….» Sie grinste (immerhin!).
Im Internet hiess es, man müsse genau CHF 120 für den Pass dabei haben Als es ums Zahlen ging, hiess es: CHF 107.65. Huh???? WTF?! «Wegen des Wechselkurses», erklärte die Dame. Zum Glück hatte ich genügend Kleingeld dabei. Meine Hand zitterte beim Geld zählen unmerklich.
Ihr meint, das war alles? Non, non et non!
Den Pass kriegt man nicht nachhause geschickt, auch nicht per Einschreiben. Ich muss ihn persönlich abholen. Also nochmals nach Zürich. Und dann gleich noch meine aktuelle französische Geburtsurkunde nachreichen. Verdammt nochmal, ich bin‘s, Mama on the rocks! Ich bin seit 1977 bei euch eingetragen, MEHRFACH!!!!
Naja, wenn ich daran denke, dass mein Mann zwischenzeitlich plötzlich Ex-Pat Franzose war, verstehe ich die Sorge des Konsulats. Wer so arbeitet, muss sich ja doppelt und dreifach überprüfen.
Ihr meint, DAS war alles? Non!
Jetzt warte ich also auf meinen Pass und dann beginnt das Prozedere für die Eintragung meines Sohnes ins französische Geburtsregister aus Neue. Vive la France!
Wenn ich das lese verstehe ich meine Eltern immer mehr das sie gegen zwei pässe waren und ihnen ein deutscher für uns Kinder reicht. Wer weiß was mein Vater hätte alles machen müssen, damit wir einen französischen pass bekommen und das alles ohne Hilfe vom PC. CD
LG Nicky
Oh là là, la GRANDE NATION!
Eines Tages erzähle ich Dir bei einem Pastis die Odyssée unseres Freundes N., der bei seiner Einbürgerung in die Schweiz seinen Französischen Pass loswerden wollte. IM-POS-SIIII-BLÖH!
Und gegen die Anträge auf einen kroatischen Pass für ein Kind, das einen anderen Familiennamen hat, als sein dort aus- und später wieder eingebürgerter Vater, ist das alles Cacahuètes 🙂
Hallo,
das kennen wir auch! Hinterher kann man aber drüber lachen.
Ich (Deutsche) und mein Mann (Spanier) haben bei der Geburt unseres Sohnes in Indien gelebt. In der spanischen Botschaft war das alles noch recht einfach: Geburtsurkunde, Pass – Papierkram, einige Wochen Wartezeit und dann noch der Antrag aufs indische Visa. Bei der ersten Ausreise haben wir trotzdem gebetet, dass der (natürlich) nicht vorhandene Einreisestempel am Flughafen nicht zu einer Riesendiskussion führt. Hatten wir alles schon im Bekanntenkreis gehört.
Die Deutsche Botschaft macht ein aufwändiges und teures Urkundenprüfungsverfahren, dass neben einer gefälschten Urkunde auch Leihmutterschaft unterstellt. Das Zertifikat ist dann die Voraussetzung um eine Geburtsurkunde zu beantragen (oder jemals in Deutschland Kindergeld), für den Pass brauchte es dann sogar noch ein biometrisches Passbild – von einem Neugeborenen! (also Augen auf, gerade gucken, alle Kopfkörperteile drauf, Mund geschlossen). Das Kind auf dem Foto und unser Kind hat nach der aufwändigen Retuschieraktion des indischen Fotografen gar nichts mehr gemeinsam. 😀
Diese Odyssee vom letzten Jahr ist in diesem Jahr nur noch eines unserer vielen "Indien-Abenteuer". Also Augen zu und durch!
Ganz liebe Grüße!
Christine
Jaja, ich hab meine Mann nie heulen sehn, aber als wir den Pass der Tochter in Händen hielten, war es fast soweit. Das war vielleicht eine Odyssee, wenn man als Deutsche in der Schweiz lebt, zum Heiraten nach Deutschland fährt und aber in der Schweiz ein deutsches Kind zur Welt bringt. Das Konsulat ist übrigens in Bern und man muss dort jedesmal MIT Baby antanzen, damit sie überprüfen können, dass sich da ja niemand eine Staatsbürgerschaft ergaunert. Also fuhren wir gleich mehrmals Basel-Bern mit Baby, das gerade von der Intensivstation kam, denn man muss nach Geburt ja bitte schön die Fristen einhalten. Und ein Arztzeugnis hätte alles nur noch mehr verkompliziert. Ach ja, und das mit dem Biometrischen Bild haben wir auch machen müssen. Jetzt hat meine 3jährige einen Reisepass mit Biometrischem neugeborenem Bild. Ist schon klar…
Toll war auch die 2010 geschlossene Ehe in Deutschland mit getrennten Namen. Damals gab es das in der Schweiz noch nicht und dann lass das mal anerkennen! Und hinterher muss man nochmal extra registrieren lassen, dass man Elternteil ab Geburt ist, trotz Eintragung in der Geburtsurkunde, nur weil man einen anderen Namen trägt.
Aber ersthaft, die Basler Behörden waren super freundlich und organisiert und es ging auch immer alles elektronisch. Hier in D läuft das noch ganz anders… Leider.
Meine Güte!!! Da fängt man ja schon beim Lesen an zu Schwitzen! Und ich dachte bisher immer, in Deutschland wäre alles so hochbürokratisch….
Haha :-)) Ich hatte ein ähnliches Hickhack mit dem Namen: Ich trage einen Doppelnamen, da ich bei der Hochzeit meinen Namen behalten habe und es damals eben noch nicht das neue Ein-Namen-Gesetz gab. Also: Juristisch unterschreibe ich als Doppelname ohne Bindestrich. Das gibt es in Frankreich aber nicht….
Musste sehr lachen wegen dem biometrischen Passfotobild. Bin mir noch unschlüssig, ob ich für Copperfield einen Pass machen lassen soll. Das ist doch echt ridicule. 😉
Oi, das klingt seeeeehr spannend! Das möchte ich gerne hören :-)))
Stimmt, früher muss es ja NOCH SCHLIMMER gewesen sein oO