Ein neues Jahr ist da, und damit auch die Melancholie. Was hat diese Zeit nur an sich, dass man so in sich geht? Nachdenkt? Träumt?
Gestern habe ich getwittert:
Wenn man realisiert, dass man im Leben nicht alles können muss – das ist dann also dieses „erwachsen“.
— Mama on the rocks (@MamaOTR) 1. Januar 2015
Und kam dabei ins Grübeln. Wann ist man denn nun wirklich erwachsen?
Als Kind dachte ich, mit 20 ist man erwachsen, man kann tun und lassen, was man will. Mit 24 ist man dann alt und verheiratet und hat Kinder. Nun gut, im Mittelalter stimmte das so – man starb ja auch viel früher.
Ich wurde 20 und dachte tatsächlich: Die Welt gehört mir! Alles ergab einen Sinn, ich fühlte mich stark und frei und allwissend. Ich hatte alles im Griff. Mit 22 Jahren zog ich von zuhause aus, in eine Studentenwohnung. Altbau, 2 Zimmer, ein Traum! Kein Mann fürs Leben in Sicht, geschweige denn Kinder. Ich war selbständig für mein Tun und Lassen verantwortlich und genoss das. Und fiel ein paar Mal gehörig auf die Nase.
Ich habe immer gearbeitet neben dem Studium. Als mein Arbeitgeber mir den Lohn nicht mehr bezahlte und ich plötzlich meine Rechnungen nicht mehr bezahlen konnte, geriet mein Weltbild ins Wanken. Ich war nicht allwissend. Ich war an Konditionen gebunden, ein Einkommen! Ich geriet in Streit mit meinem Chef, es wurde böse und landete vor Gericht. Ich hatte einen Nervenzusammenbruch. Da ich Probleme noch nie verdrängt, sondern immer aktiv verarbeitet habe, ging ich zur Psychotherapie. Ich weiss noch wie heute, als ich zur Therapeutin sagte: «Erwachsen ist man dann, wenn man verheiratet ist.» Die Therapeutin lachte mich schallend aus. Was ich ihr bis heute noch nicht verziehen habe.
Meinen Mann lernte ich mit 28 kennen und heiratete ihn mit 31. War ich jetzt also erwachsen? Im eigentlichen Sinne war ich das natürlich schon lange. Aber es fühlte sich erst jetzt nach «Ankommen» an. Ich hatte den Mann gefunden, mit dem ich zusammenbleiben wollte, das war schön. Rückblickend schmunzle ich. LadyGaga kam 2009 auf die Welt, die Verantwortung auf meinen Schultern wuchs. Und auch das «Ankommen» wurde tiefer, denn ich war plötzlich Mutter. War das dieses «erwachsen»? Ich erlebte Fehlgeburten, Unfälle, bekam dann letztes Jahr unseren ersehnten Sohn Copperfield und machte mich beruflich selbständig. Die Sorgen wuchsen, aber auch die Standhaftigkeit, die Stärke, der Mut, etwas zu bewegen für die Familie und für mich.
In ein paar Monaten werde ich 38. Die 40 naht also, und das spüre ich. Nachts aufstehen, weil eines der Kinder nach mir ruft? Ich bin am nächsten Morgen nicht zu gebrauchen. Seit einigen Monaten gehe ich zur Podologin, da meine Zehen zu Problemzehen geworden sind (sorry für die Info). Die Podologin ist Anfang 20, frisch ausgebildet und erinnert mich so sehr an mich vor 20 Jahren. Mein Gott, bin ich schon so alt? Sie himmelt mich an, erzählt von ihrem Exfreund, von Partynächten, vom Spass haben. Sie fragt mich, wie das so ist mit 37, und ich komme ins Schleudern. Ja, wie ist das denn so? Soll ich ihr die Wahrheit sagen? Ne, ich mache keine Party mehr. Ne, ich muss ins Bett abends, sonst überstehe ich den nächsten Tag nicht. Sie fragt mich, ab wann ich mich denn erwachsen gefühlt habe. Ja WANN DENN?! Sind es die Rechnungen, das Haus, die Kinder? Diese Antwort gefällt mir einfach nicht, weil ich mich soooo alt dabei fühle.
Und gestern, zum Jahreswechsel, dann diese Erkenntnis: Ja, ich BIN erwachsen, und das ist gut so. Es macht frei. Weil ich mir eingestehen kann, dass ich in diesem Leben gewisse Dinge einfach nicht mehr erleben muss und erleben werde. Ich muss niemandem mehr – auch mir selbst nicht – etwas beweisen! Deshalb hier exemplarisch zwei Dinge, die ich nicht kann und auch nicht können will, wofür ich mich aber viele Jahre gerechtfertigt habe:
Ich kann nicht Ski fahren.
Ich kann nicht nähen.
Dafür kann ich viele andere Dinge. Ich bin eine Macherin, ich habe schon viel erreicht im Leben. Ich weiss aus Erfahrung, dass ich nicht untergehe, denn ich werde mich immer wieder selbst aus dem Dreck ziehen.
Und: The best is yet co tome, davon bin ich überzeugt! Und ich werde den Mut haben, neues mit offenen Armen anzugehen. Das ist mein Vorsatz für 2015. Und wenn ich in 10 Jahren auf heute zurückblicke, werde ich hoffentlich sagen: OMG, mit Ende 30 hatte ich doch echt keine Ahnung davon, was erwachsen sein wirklich bedeutet! Weil nämlich jede Lebensphase für sich neue Herausforderungen stellt, an denen wir wachsen, also er-wachsen werden. Wenn ich aber die Generation meiner Eltern betrachte, sehe ich bereits gewisse Parallelen: nämlich sich nichts mehr von anderen sagen zu lassen, sondern selber zu wissen, was gut für einen ist. Und dieses «Erwachsen» gefällt mir eigentlich ganz gut.
Und wie seht ihr das, fühlt ihr euch erwachsen? Wie definiert ihr das? Ich bin gespannt auf eure Feedbacks!
Ich wachse jeden Tag. An meinen Aufgaben, an meinem Leben, an meinen Kindern.
Das ist ein Prozess, der nicht endet, außer vielleicht in den letzten Lebensjahren?
Trotzdem bin ich erwachsen. Ich trage für mein und unser Leben die Verantwortung.
Ein wenig kindisch bin ich dabei schon, auch albern und unvernünftig, aber in Grenzen… das Bewusstsein für meine Familie verantwortlich zu sein ist ein übergeordneter Rahmen.
Erwachsen sein – manchmal frage ich mich, wie das geht….
Ich fuhr letzens eine unserer Landstraßen entlang und überlegete – ich hilt sogar kurz an dafür.
Ich bin nun dreißig Jahre, habe ein Kind, ein Pflegekind, einen Mann, ein Haus eine Firma – ist das erwachsen sein? Und wann fängt das Gefühl dafür an? Wie fühlt es sich an? Sind das die Kopfschmerzen vor Gedanken und Sorgen? Aber wenn ich dann im nächsten Moment mit den Kindern den Deich hinunter kullere, dass fühlt sich dann wieder so sehr nach Kind an…
Wie erwachsen möchte ich denn überhaupt sein? Zu gerne und zu oft würde ich einfach gerne auf den Boden stampfen und mich schreiend in die Ecke schmeißen, aber irgendwie macht man das ja als erwachsene Frau nicht mehr…. aber bin ich das? Will ich das?
Lustig ist – mein Mann ist genauso wenn nicht sogar der größere Kindskopf unter uns – ja das ist er.
Liebste Grüße und danke für die Gedanken die nun durch meinen Kopf schweifen!!
Drück Dich und hoffe das das im Februar mit uns zweien klappt – ich will – ich will ich will das!!!
JesSi Ca
Interessante Frage. Mein Eindruck ist: Erwachsen ist man in dem Moment, da man für sein Leben Verantwortung übernimmt. So weit, so klar. Viel entscheidender oder besser: anspruchsvoller ist aus meiner Sicht, sich in den verschiedenen Situationen – sowohl beruflich als auch privat – auch tatsächlich erwachsen zu verhalten. Das gelingt häufig ganz gut in der Mutterrolle, schwieriger finde ich es in Beziehungen zu anderen Menschen. Bis vor ein paar Jahren verfiel ich hin und wieder in alte, gelernte (bequeme?) Verhaltensmuster.
Dass das heute seltener der Fall ist, hat sicherlich mit Lebenserfahrung zu tun (bin ja schon etwas älter), aber auch damit, das Erwachsensein als sehr natürlich anzunehmen und bewusst zu leben. Als Mittzwanzigerin konnte man beinahe nicht mehr beleidigt werden, als wenn zu einem gesagt wurde, man sei ja schon sehr erwachsen. Das hat sich definitiv verändert. Ich finde es inzwischen cool, erwachsen zu sein und mich auch so zu verhalten. Dazu gehört neben der Verantwortung für die Familie und für mich selbst auch die Einsicht, dass nicht alles mit mir als Person zu tun hat, dass ich gut weiterleben kann, ohne überall meinen Senf dazugegeben zu haben, dass ich Dinge, Sätze, Meinungen eben einfach so stehen lassen kann. So stellt sich dann auch das gute Gefühl, erwachsen zu sein, von ganz alleine ein. 🙂
Ein sehr schöner, zum Nachdenken anregender Text. Auf die Frage, wann man erwachsen ist, habe ich aber keine Antwort. Ich warte immer noch darauf, fühle mich seitdem ich Mutter bin komischerweise reifer, gleichzeitig aber auch wieder mehr als Kind. Wohl weil ich die Welt mit Kinderaugen wieder entdecke. Es hängst also alles davon ab, wie man "erwachsen" definiert. Verantwortung für sich und sein Handeln übernehmen und für die Konsequenzen einstehen – das trifft es für mich vielleicht. Bin ich also erwachsen? Mal ja, mal nein… ;))
Schööön.. ich werde in eine Woche 35.. äh.. 45 !! Und immer wieder gibt es Phasen, wo ich verzweifle und Phasen, in denen ich stolz auf das Erreichte bin – natürlich denke ich oft an früher (Feten feiern, trinken, küssen…) – aber dann fallen mir auch die Situationen ein, in denen ich einfach zu unerfahren war. Situationen, die ich heute anders / besser meistern würde..
Früher habe ich übrigens nie verstanden, warum Politiker oft schon so alt sind – heute klingt es logisch !!
Liebste Grüße – Linda
Was für ein toller Artikel. Du drückst genau das aus, was ich auch schon oft gedacht hab´- aber ich hätte es niemals so toll in Worte fassen können. Ich fühle mich erwachsen – weil ich Verantwortung trage. Nicht nur für mich selbst, sondern für meine Tochter. Und weil ich das Leben meiner Familie manage – zusammen mit meinem Mann. Und ganz ehrlich: weil ich zu ELTERNABENDEN gehen muss. Als der erste vor der Tür stand, kam ich mir alt vor. Aber ich schäme mich nicht erwachsen zu sein. Es entspannt mich sogar: ich muss nicht mehr jeden Trend mit machen. Ich weiß inzwischen ganz gut, was ich möchte und was nicht. Und ich kann meine Meinung vertreten und äußern, ohne dass ich bei jedem drüber nachdenke, ob er mich vielleicht mag oder nicht.
Und trotzdem: ich bin auch Kind geblieben in vielen Dingen. In Freizeitparks werde ich zum Kind zum Beispiel. Oder im Sommer bei Wasserschlachten. Und jeden Tag blicke ich ein bisschen durch die Augen meiner Tochter und entdecke die Welt neu.
Die Erfahrungen, die ich als Teenager und in den Zwanzigern gemacht habe will ich nicht missen. Aber ehrlich: ich will die Zeit auch nicht zurückdrehen. Jede Phase im Leben hat seine Berechtigung. Und ich mag die jetzt – mit 37 – eigentlich ganz gern 🙂
In diesem Sinne: auf uns Erwachsene!
Liebe Grüße, Anna
Diese Frage habe ich mir kürzlich auch gestellt und bin zu dem Schluss gelangt, dass zumindest ich (32) immer noch ein Kind bin, das lediglich so tut, als sei es erwachsen. Deshalb fällt es mir auch so schwer, meine eigenen Kinder zu erziehen (das empfinde ich irgendwie als Anmaßung gegenüber meinen Kindern).
Klar, ich verhalte mich angepasst, weil ich die Regeln des gesellschaftlichen Miteinanders mittlerweile kenne. Trotzdem komme ich mir oft wie eine Schauspielerin vor, die "die Erwachsene" mimt. Dass man alt wird und auch so aussieht, erleichtert das Rollenspiel natürlich. Optisch gehört man zu den Großen. Doch innerlich? -Eine Frage, über die ich noch Stunden nachdenken könnte…
LG Anne!!!
Bei Männern ist das sehr einfach.Sie werden nicht erwachsen, nur älter 😀
Ich war ja lange der Meinung, dass ich mental nicht mehr gealtert bin, seit ich 19 war. Das habe ich so lange geglaubt, bis ich in meinem Auslands-Semester auf andere 19-jährige getroffen bin (ich war 24). Ich denke, das Problem ist, dass wir immer, wie oben beschrieben, auf den Momenta warten, an dem wir endlich erwachsen sind. Lange dachte ich, das kommt, wenn man arbeitet. Aber dann habe ich mich auch hier jeden Tag gewundert, wie ich nach außen hin so souverän und professionell funktionieren kann, obwohl ich mich innerlich noch kein Stück erwachsen fühle. Dann vielleicht mit dem gemeinsamen Umzug in eine neue Stadt – Berlin? Im Gegenteil, hier habe ich mich tatsächlich wieder gefühlt wie 19! Plötzlich machen Clubs wieder Spaß und wir sind feiern gegangen bis 9 Uhr morgens. Naja, dann eben, wenn wir eine Familie gründen, heiraten. Auch das ist jetzt der Fall. Ich bin im 4. Monat schwanger und wir heiraten nächsten Monat. Von Erwachsen sein keine Spur. Vielleicht muss ich eben noch warten, bis das Kind da ist und die Heirats-Urkunde 😉
Prinzipiell ist man denke ich in dem Moment soweit "erwachsen", in dem man überwiegend für sich selbst sorgt. In unserem engeren Verständnis erwachsen wird man dagegen nie. Ich gehe davon aus und hoffe, dass ich mich auch mit 40, 50, 60 noch darüber freuen kann, statt einem Abendessen einfach nur Käse mit Käse zu überbacken oder im Bad einen Kleiderberg Wäsche aufzuhäufen, bis wir nicht mehr zur Badewanne durchkommen.
Mein Verlobter und ich haben einen Spruch. Wenn wir was unvernünftiges, aber total spaßiges planen:
"Weißt du, warum wir das jetzt machen?" – "Weil wir es können" – "Und warum?" – "Weil wir erwachsen sind!" und dann freuen wir uns wie kleine Kinder…
Vielleicht könnte man die Meinung von Olli teilen, dass die Männer nur älter werden. Was mich betrifft , bin ich alleine geblieben, wegen des Unfalls, als mein Mann gestorben war. Mein Kind regt mich immer an, mir vernünftig die Gedanken an den nächsten Tag zu machen. Aber das Gefühl von der Geborgengenheit verlässt mich nicht. Ich habe mich für den Erwachsenenschutz entschieden, damit meine vermögensrechtliche Sachen gesichert bleiben. Danke für die interessanten Überlegungen zum Erwachsen werden!