Die Berliner und der ÖV

Dass die Berliner es nicht so mit dem Öffentlichen Verkehr haben, habe ich vermutet. Ich sage nur FLUGHAFEN. Was ich bezüglich ÖV in Berlin aber effektiv am eigenen Leib erfahren durfte, erzähle ich heute. Eine Komödie in 3 Akten.

 
 

 

Akt 1
Am ersten Abend traf ich mich mit Endwinterwunder von Ratzefatze Pustekuchen und Andrea von Runzelfüsschen zum Abendessen. Wir hatten eine tolle Zeit. Kurz vor Mitternacht trennten wir uns wieder, wobei Endwinterwunder so freundlich war, mich bis zum Hotel zurückgeleiten zu wollen. Ich hatte nämlich im Vorfeld angedeutet, was für eine Geografie-Flasche ich (in der Tat!) bin. Wir standen also an der U-Bahn-Station Friedrichstrasse und warteten, denn die Bahn sollte erst in 15 Minuten kommen. Wir froren. Wir lachten. Die Bahn kam, wir stiegen ein. Nach einer Weile wurden Endwinterwunders Augen gross, sie starrte nach draussen. Sie sagte: «Äh, das war die falsche Richtung.»
Meine Reaktion: «?!?!?!?»
Wir stiegen also an der nächsten Station wieder aus und warteten auf die Bahn in die Gegenrichtung. Es war nach Mitternacht und wurde langsam spooky im Untergrund. Und ich war sooo müde! Aber kann ja mal passieren, auch in der eigenen Stadt.
Akt 2
Am Morgen fand ein Frühstück mit den Bloggerinnen statt, bevor dann um 11.30 Uhr das effektive Blomm-Meeting starten würde. Das Frühstück war angesetzt um 9 Uhr im Salon Schmück an der Skalitzer Str. 80, U-Bahn-Haltestelle Schlesisches Tor. Ich bat am Vorabend noch Andrea, mir anzugeben, welche U-Bahn ich da nehmen müsse. Andrea kritzelte auf einen Zettel: U6 bis Mehringdamm, Richtung Alt-Mariendorf, dann U1 bis Schlesisches Tor, Richtung Warschauer Str.
Ich tat wie mir geheissen, stieg in die U6 in Richtung Alt-Mariendorf ein, mit nichts als diesem von Hand gekritzelten Zettel in der Hand. Irgendwann stutzte ich. Stierte auf den kleinen Plan an der Decke des U-Bahn-Waggons. Da! Am Mehringdamm kann man gar nicht auf die U1 wechseln! Gnaaa!! Also flugs ausgestiegen und wieder zurückgefahren bis Hallesches Tor, wo ich endlich auf die U1 umsteigen konnte.
Ich kam panisch, da zu spät, am Schlesischen Tor an, zückte mein Smartphone und gab die Adresse ein. Und so wankte ich mit dem Handy als Navi in der Gegend herum, wobei ich dabei von Endwinterwunder gesehen wurde («Hast Du getwittert?» – «Neihein! Die Adresse rausgesucht!») Wie haben wir das nur früher gemacht, als es noch keine Smartphones gab….? Und wie überlebt ein Berliner in Berlin, wenn er die U-Bahn nicht kennt?
Akt 3
Am Mompreneurtreffen lud mich Béa von der Tollabox spontan zum Abendessen zu sich nachhause ein. Ich bat sie, mir ihre Adresse mit U-Bahn-Station und U-Bahn-Linie anzugeben. Sie war in Eile, schrieb nur hastig «U1» und die Station auf die Visitenkarte.
Abends im Hotel dann hatte ich genug von meiner eigenen Unvorsichtigkeit. Wer rennt schon in einer fremden Grossstadt ohne U-Bahn-Plan herum?! Ich fragte also an der Hotelrezeption nach dem Berliner Liniennetz im Taschenformat. Klappte alles easypeasy. Ich fragte den Hotelier, wo ich auf die U1 wechseln könne. Er wollte es mir gerade zeigen, als ich den Namen der Zielstrasse ergänzte. Er zog die Stirne kraus. «Die Strasse ist aber nicht an der U1.» Er googelte die Adresse und nickte. «Nene, da müssense auf die U2.» Er zeichnete mir alles auf der Karte ein. Ich fuhr bis zur angegebenen Station, stieg aus, tippte wild die Adresse in mein Smartphone und wankte wieder durch Berlin. Ist es wirklich möglich, dass ein Berliner die eigene Adresse nicht kennt?
Berlin ist definitiv wie ein Märchen – Offenbar musst Du Dir dreimal von verwunschenen Berlinern den falschen Weg zum Schlossteich zeigen lassen, bevor Du das U-Bahn-Netz besser kennst als sie. Echt jetzt.
Mein Eindruck von der Berliner U-Bahn
Mein Bruder meinte im Vorfeld zur Reise, ich solle in Berlin ruhig die U-Bahn nehmen, das sei ganz ungefährlich (ich bin ein Schisser). Also löste ich in Tegel im Bus ein Ticket, das offenbar zugleich auch für die U-Bahn gelten sollte. Häh? Wie geht denn das bitte? Als ich in die U6, Haltestelle Kurt-Schumacher-Platz, einstieg, verstand ich, wieso das ging: Es gibt keine Abschrankungen wie in Paris oder in London, man löst ein Ticket (oder auch nicht) und kann es abstempeln lassen an einem der wenigen gelben, kleinen Automaten. Alles easy. Endwinterwunder erzählte mir an Tag 1, dass es eine Selbstkontrolle ist – es gibt unregelmässige Kontrollen, und die will man vermeiden, weil es schnell teuer wird, wenn man erwischt wird. Da staune ich. Wenn die Hälfte der Leute nicht zahlt, wie kann sich das System trotzdem lohnen? Gibt es dafür Einbussen beim geplanten Flughafen?
Am Automaten kann man sein Ticket sogar in 5-Cent-Münzen bezahlen. Ich habe es ausprobiert. 5 Cent! Wer hat denn dafür die Zeit, bei 2,70 Euro für einen Einzelfahrschein?! Aber nun gut. Das Ausdrucken des Tickets geht ja auch eine gefühlte Ewigkeit, da sollte die U-Bahn bitte nicht direkt einfahren an der Haltestelle. Berlin, Grossstadt, eilig, und dann geht es so lange, bis das Ticket gedruckt ist? Ich bin fasziniert.
Aufgefallen ist mir zudem, dass auf der U2 immer eine bekannte (oder mir weniger bekannte) Celebrity die Station ansagte. Anastacia ist «Stadtmitte», Frank Zander «Klosterstrasse» und Matthias Schweighöfer darf «Alexanderplatz» sein. Ehre, wem Ehre gebührt. Wie oft wechselt das eigentlich? Ist das wie Madame Tussaud’s für Reisende?
Ansonsten finde ich die U-Bahn wirklich sehr gelungen, das System ist unkompliziert und einfach zu verstehen, wenn man folgende drei Grundregeln beachtet:
  1. Schau immer VORHER, ob Deine U-Bahn in die richtige Richtung fährt.
  2. Glaube keinem Berliner, wenn es um das U-Bahn-Netz geht. Es sei denn, er arbeitet im Hotel. Und hat Google vor der Nase.
  3. Hab immer den Streckenplan der U-Bahn in der Handtasche.
Im letzten Teil meiner Berlin-Reihe geht es um «Typisch Berlin?!»

8 thoughts on “Die Berliner und der ÖV

  1. Als ich nach Berlin zog, hatte ich schreckliche Gruselangst in der U-Bahn. Mittlerweile bin ich zumindest auf "meiner" Linie ein kleiner Profi und weiß, wo ich einsteigen muss.
    Vielleicht schaffe ich es irgendwann, alle Linien kennenzulernen. Das U-Bahn-Netz in Berlin ist jedenfalls sehr aufregend.
    Und ja, in die falsche Richtung fahren ist kein Problem. 😀

  2. Hahahahahaha – ich hab Bauchweh vor lachen. Wie geil ist das denn????
    Also ich geb Dir dann mal die Daten von Mottchen Paten – die haben die weltbesten Erklärzeichnungen ever ever ever!!!!
    Ich fühle mich in Berlin wie in New York und denke immer "klein Jessi in groß Berlin" und so komme ich mir noch immer vor, doch nach dem zweiten Trip allein geht es besser. Und den Paten im Rücken die ich zur Not, wenn die Zeichnung und meine Synapsen nicht ganz zusammenpassen wollen. Oder ein Kind was nicht laufen will – Tragen ist definitiv nun nicht mehr drinnen, die Motte ist einfach zu lang und ich zu schwach…..
    Es war aber eine WONNE Dich kennen lernen zu dürfen – DANKE DANKE DANKE DANKE dafür!!!

    Big Kisses aus Niedersachen
    JesSi Ca

  3. Hach, herrlich 🙂 Durfte ja auch einige Zeit in Berlin mit der U-Bahn unterwegs sein, als mein Mann da gearbeitet hat und ich ihn besuchte..is aber schon 12 Jahre her. Meist war ich auch alleine unterwegs, der Mann musste ja arbeiten. Ich hatte da aber vielleicht das Glück, das ich für den Weg keinen Berliner fragen musste, denn ich kam immer da an, wo ich hinwollte 🙂

    Wunderbar.. ich lache immer noch :)))

    LG Nicola

  4. Sehr geil, dass das tatsächlich nicht nur 1x passiert ist…peinlich peinlich 😉 und dann gibt's ja nicht nur U- sondern auch noch S-Bahn, Tram und Bus. Damit ist das Chaos dann perfekt ^^ ich fahr zu selten U2, das mit den Celebrities wusste ich gar nicht.

  5. Sei froh, dass du nur mit der U-Bahn und nicht mit der S-Bahn unterwegs warst, das ist schlichtweg ein Albtraum. Und die Sache mit dem Promis ist nur ne temporäre Geschichte und ödet viele Berliner ziemlich an, jedenfalls die es jeden Tag über sich ergehen lassen müssen 😉

  6. Haha, ich musste eben doch sehr schmunzeln … als Berlinerin kenne ich mich mit einigen dieser Phänomene aus, obwohl ich stolz von mir behaupten kann, dass ich mich schon in frühester Jugend bestens mit unserem Streckennetz auskannte. Bei der momentanen Bauerei (und da ich eher außerhalb mit Auto unterwegs bin) stehen mir manchmal aber auch kurz Fragezeichen in den Augen 😉

  7. Also EIGENTLICH kenne ich mich voll aus. Aber so richtig. Nur da habe ich halt einmal die Haltestelle falsch erinnert. Also nur einmal in 30 Jahren… Ich kann das, wirklich. Komm zurück und ich beweise es dir…
    Und was die Promis angeht: Wenn ich noch einmal höre "Ich bin Jan Josef Liefers… " dann muss ich leider schreien… Da geht es mir wie Susanna!

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