Was diese Frau so alles tut

Ich bin im Stress. Und zwar gewaltig. Am Montag um 8.15 Uhr stehe ich mit Copperfield im Gepäck bei meinem Treuhänder für meine erste externe Steuererklärung. Selbständig und so. Um 10.45 Uhr kommt der Elektriker und schaut sich den Geschirrspüler an (andere Story). Über Mittag kommt LadyGaga nachhause. Von 13.30 bis 15 Uhr ist sie wieder in der Vorschule. Um 14 Uhr kommt der Sanitär und montiert die von mir bestellte zweite Handtuchstange. Um 15.15 Uhr steht eine verheulte LadyGaga vor mir. Sie hat einen Ohrring verloren.
An und für sich kein Drama, bei uns aber schon, da LadyGaga sehr heikle Ohrlöcher hat, die schnell eitern und schmerzempfindlich sind. Also eigentlich die Gaga, nicht die Löcher. Also Kind und Kegel eingepackt und in die Stadt gedüst, um neue Ohrringe zu kaufen. Es geht nur Gold wegen der Allergie. Beim Bezahlen der Ohrringe leichte Schnappatmung. Um 17 Uhr liefere ich LadyGaga im Kinderturnen ab.
Um 18.30 Uhr kommt mein Mann nachhause. Eigentlich sollte ich jetzt zu den Weight Watchers gehen. Ich kann nicht. Ich muss arbeiten, weil das den ganzen Tag nicht ging. Sobald die Kinder im Bett sind, sitze ich am PC und schreibe ein Interview nieder. Krebs als Thema. Um 22.15 Uhr gehe ich runter und will noch ein wenig TV schauen und chillen. Geht nicht, dort sitzt mein Mann. Im Esszimmer ist Chaos, Copperfields Essensreste kleben noch am Boden. Die Küche ist mein Armageddon. Ich habe keine Lust auf Streit und mache die Küche. Mein Mann kommt dazu und trocknet ab. Um Mitternacht falle ich ins Bett. Ich wollte doch bloggen.
Am Dienstag habe ich den ganzen Tag Sitzungen in der Ostschweiz. Abends stehe ich nach Zürich im Stau und rufe meinen Mann an, damit er die Kinder aus der Kita abholt, bevor die um 18.30 Uhr schliesst. Um 18.15 Uhr rufe ich ihn wieder an. Wir stellen fest, dass ich mittlerweile im Auto näher bei der Kita bin als er, da auch er im Stau steht. Ich hole die Kinder ab, er kommt kurze Zeit nach mir auch dazu. Nachdem wir gegessen haben und die Kinder im Bett sind, gehe ich wieder am PC arbeiten. Ich wollte doch bloggen. Aber ich muss Geld verdienen. Um 23 Uhr falle ich ins Bett.
Am Mittwochmorgen kommen meine Schwiegereltern zu uns, um die Kinder zu hüten. Ich bin den ganzen Tag in Basel an einem Kongress, wo ich networken muss. Kunden, Leser, Autoren, Ideengeber, Partner, Konkurrenten… alle tummeln sich dort. Ich mag das, ich mag mein Haifischbecken. Aber ich muss gut aussehen, Revier markieren. Am Morgen habe ich noch meine neue Brille abgeholt. Wie ich wohl wirke?

 

Abends schlängle ich mich wieder auf der Autobahn ein, wo ich eine Weile stehe. Dieser Pendlerverkehr laugt aus. Ich komme zuhause an und werde von strahlenden Kindern empfangen. Schön. Meine Schwiegereltern gehen nachhause und nehmen LadyGaga, die am Donnerstag frei hat, gleich mit – sie übernachtet spontan dort. Ich bin froh, denn das verschafft mir etwas Luft. Mein Mann kommt um 18.30 Uhr nachhause, isst hastig, weil er um 19 Uhr zur Gemeindeversammlung geht. Er hilft mir noch, Copperfield ins Bett zu bringen. Dann ist er weg. Ich sitze am PC und – arbeite. Eigentlich will ich doch bloggen. Als mein Mann um 21 Uhr nachhause kommt, schauen wir gemütlich zusammen TV. Endlich Pause. Um 22.30 Uhr falle ich ins Bett.
Donnerstag. Ich rufe in der Vorschule an und spreche mit der Lehrerin. LadyGaga wird für das neue Schuljahr per August einfach in eine andere Gruppe der Vorschule eingeteilt und ist somit einen Nachmittag in der Woche von allen ihren Freundinnen getrennt und nur mit Jungs in der Gruppe. WTF?! Und dieser Nachmittag ist neu nicht mehr am Montag, sondern am Donnerstag. Ausgerechnet! Am Donnerstag sind oft Kongresse, die ich besuchen muss, und ich habe LadyGaga in der Kita auf die Warteliste für Donnerstags gesetzt. Jetzt ist mein ganzes Betreuungskonzept für den Arsch und ich muss mir was Neues ausdenken. Die Lehrerin bleibt dabei, an ihrem Plan gibt es nichts zu rütteln.
Mein Mann kümmert sich um Copperfield, während ich mich für den Kongress fertig mache. Er kommt zu spät ins Büro. Ich packe Copperfield ins Auto und fahre zu den Schwiegereltern (30 Minuten Weg), wo ich den Sohn abgebe. Ich fahre nach Basel an den Kongress. Same same but different. Während des Tages Twitter- und Mail-Anfragen für Gastbeiträge, Blogparadenteilnahme, Interviews, Kooperationsverhandlungen. Und eine Anfrage fürs Fernsehen zur Teilnahme an einer Talkshow zum Thema «Perfektionismus: Der Alltag einer Mutter/Hausfrau/Ehefrau». Echt jetzt. Abends gehe ich auf dem Weg noch einkaufen und hole dann die Kinder bei den Grosseltern ab. Alle gutgelaunt. Ich bin müde.
Um 18.30 Uhr ruft mein Mann an und sagt, dass er später nachhause kommt, weil er morgens viel zu spät im Büro war. Wir essen ohne ihn. Ich spiele mit den Kindern im Kinderzimmer. LadyGaga ist total überdreht und kichert und kichert. Mein Kopf dröhnt. Copperfield lässt sich nicht wickeln. Stattdessen versucht er, seine Füsse ins Töpfchen zu halten. Wir lachen uns scheckig. Als er endlich frische Windeln und den Schlafanzug anhat, gehen wir ins Bad, um die Zähne zu putzen. Copperfield brüllt auf meinem Arm. Plötzlich steht mein Mann vor mir, nimmt den Jungen und putzt ihm die Zähne. Gottseidank. Er bringt den Kleinen ins Bett, ich später LadyGaga. Mein Mann kommt zu mir und fragt: «Langer Tag?» Ich: «Ja, hat ewig gedauert.» Er: «Dein Tag?» Ich, gereizt: «Ja natürlich MEIN TAG!» Wir gehen ins Esszimmer, er nimmt sein Abendbrot ein, ich erzähle in Kurzversion die vielen Eindrücke des Tages. Ich habe am Kongress einen Interviewtermin mit einem Professor für Mitte Juli abgemacht, ich frage meinen Mann, ob er dann die Kinder aus der Krippe abholen kann, weil der Professor nur um 17 Uhr Zeit für mich hat. Mein Mann sagt: «Klar, kann ich machen.» Dann ergänzt er irgendwas, und ich explodiere. Einfach so. «Ja glaubst Du denn, es ist nicht anstrengend, die Kinder morgens und abends irgendwohin zu kutschieren? Weisst Du nicht mehr, wie es war, als wir beide beruflich gependelt haben und wir abends LadyGaga pünktlich in der Kita abholen mussten? Wieso ist das jetzt anders, wenn ich zuhause arbeite?!» Er ist mir die Antwort schuldig geblieben. Als ich später meinte: «Ich will jetzt endlich bloggen, aber über was nur?», grinste er: «Blogg doch, wie doof Dein Mann ist.» Tja, das hat er jetzt davon.
Nein, Mann, Du bist nicht doof. Du bist sogar toll! Ich weiss, was Du alles für uns, Deine Familie, tust und dass Dein Beruf Dich fordert. Aber ich möchte auch gerne mal vor 22 Uhr Feierabend haben. Und dann nicht noch die Küche machen müssen.
PS Morgen bin ich übrigens wieder den ganzen Tag auf dem Kongress. Und beim Zahnarzt. Aber abends treffe ich eine Freundin auf ein Glas ein paar Gläser Wein!! Ich wollte eigentlich absagen, weil ich so müde bin, aber mein Mann meinte, ich solle das doch tun, für mich. Ne, er ist wirklich nicht doof. Ich liebe Dich!

5 thoughts on “Was diese Frau so alles tut

  1. Ach herrjeh!
    Das klingt nicht nur nach Streß, das ist eine Streßkatastrophe. Besonders blöd: die Verschiebung der Vorschule. Was soll denn der Käse?
    Morgen noch und dann gönnst Du Dir erst mal Wochenende!!!
    Liebe Grüßen
    Suse

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