Denkfallen, in die wir als Eltern tappen. Oder nur ich?

«Metaphysische Paradoxa – Phänomene, die mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht begreifbar sind oder sich der Begreifbarkeit prinzipiell entziehen.» (Wikipedia)

Mein Sohn sitzt im Einkaufswagen und schaut mir interessiert dabei zu, was ich alles in den Wagen lege. Kurz vor der Kasse schnappe ich mir ein Seifenblasenset. Wir haben keine mehr zuhause und (die abwesende) LadyGaga hat mich gebeten, ihr doch ein neues zu kaufen. Ich lege alles aufs Band, die Kassiererin scannt ein. Copperfield nimmt sich in einem unbeobachteten Moment den bunten Seifenblasenbehälter vom Rollband.

«Oh, da hat die Mama Dir aber etwas Tolles gekauft!», strahlt uns die Frau an der Kasse an.

«Nein, das ist nicht für ihn, sondern für die grosse Schwester», will ich ihr entgegnen. Doch ich komme ins Stocken. Warum eigentlich ist das nur für LadyGaga? Und warum zum Geier kaufe ich nichts für den Sohn, der im Gegensatz zur Tochter anwesend ist?!

Szenenwechsel. Ich räume die Küche auf. LadyGaga und Copperfield spielen zusammen bzw. wuseln um mich herum. Meine Tochter packt ihren Bruder unter den Armen und will ihn herumtragen. Er aber mag das überhaupt nicht. Nie. Und trotzdem tut sie es immer wieder. Er brüllt empört, in meinen Ohren klingelt es gefährlich. «Jetzt lass ihn endlich in Ruhe, wie oft muss ich Dir das noch sagen», belle ich meine Tochter verärgert an. Sie ist beleidigt und ich habe ein schlechtes Gewissen. Vor meinem inneren Auge sehe ich, wie Copperfield sich im Geiste grinsend stolz die Manschettenknöpfe richtet. Mama hat sich auf meine Seite gestellt, gewonnen! Wieder einmal.

Nein, ich behandle meine Kinder ganz offenkundig nicht gleich. Und diese Erkenntnis ist irgendwie hart. Ich habe ganz bestimmt kein Lieblingskind, aber dennoch komme ich nicht aus meiner Haut, situationsbezogen eines der beiden zu bevorzugen. Copperfield ist der Kleine, der Jöh-Effekt und Mama-Beschützerinstinkt kommt bei ihm noch voll zum Tragen. Das nutzt er natürlich auch mal aus und brüllt nach dem Prinzip: „Schau mal, Mama, was die Schwester da wieder macht! Unerhört!“ LadyGaga hingegen kriegt viel mehr neue Spielsachen von uns als ihr kleiner Bruder oder wickelt uns sonstwie um den Finger. In der Alterskategorie des Kleinen kennen und haben wir schon (fast) alle Spielzeugoptionen noch aus LadyGagas Babyzeiten. Hier sind wir sozusagen spielzeugübersättigt. Pah, aber Seifenblasen sind dann trotzdem nur für die Grosse…?! Ich schüttle den Kopf, nein, ich ärgere mich, wie kleinkariert ich als Mama manchmal denke. Schwarz ist schwarz und weiss ist weiss. Der Kleine könnte das ja trinken?! Oder die Kleider nass machen? Alles Bullshit!

Und doch darf der Kleine heute schon viel mehr als LadyGaga in seinem Alter durfte. Das Vorrecht des Zweitgeborenen. LadyGaga muss nun viel mehr zurückstecken für ihren Bruder. Das frustet sie oft («Du liebst Copperfield viel mehr als mich!»), aber sie hat dafür Privilegien, von denen er nur träumen kann.

Lässt es sich überhaupt verhindern, die Kinder unterschiedlich zu behandeln? Ich denke nicht, denn auch der Charakter der Kinder ist ja ganz unterschiedlich, sie haben unterschiedliche Bedürfnisse. Warum ich aber nicht daran denke, dass auch ein 15 Monate altes Kleinkind Freude an Seifenblasen haben kann, ist mir echt schleierhaft. Und wieso ist immer die Grosse die Böse und muss gemassregelt werden, während der Kleine das Unschuldslamm ist? MamaOTR, da musst Du echt nochmals über die Bücher!

Kennt ihr diese Denkfallen als Eltern auch?

8 thoughts on “Denkfallen, in die wir als Eltern tappen. Oder nur ich?

  1. Und ich ich das kenne. Die Große bekommt neue Dinge, die dann ja bei den anderen beiden noch da sind.
    Wenn eine der Kleineren schreit denkt man immer erst die Größere war es.
    Aber geh nicht zu hart mit Dir ins Gericht: Du liebst Deine Kinder. Und von der Intensität sicher gleich.
    So wie Du das machst ist das gut <3
    Liebe Grüße
    Suse

  2. Oh ja, das kenne ich. In diese Fallen tappe ich auch ständig. Im Gehirn ist es noch nicht angekommen, dass der kleine Kerl schon fast vier ist. Erst Sonntag…. Großkind nimmt Minikind mit nach oben "Komm wir machen noch ein Bügelperlen-Herz für das Geburtstagskind!" – Ich dachte.. HÄH? Bügelperlen? Jetzt schon??? Er ist doch noch zu klein!
    Dann fiel mir ein… Ja, klar. Für das Großkind habe ich die gekauft, als er seine letzte Mittelohrentzündung hatte und gelangweilt war. Er war gerade knapp drei und hat sich super damit beschäftigt.

    *hust* nur ein Beispiel 🙂

    Ein toller Text….. und so ehrlich und normal!!!

  3. Guten Morgen,

    ein toller Text, davor habe ich auch Angst, wenn ich mal Kinder habe… dementsprechend kenne ich das Phänomen zwar nicht von mir, aber von meinen Eltern.
    Meine Schwester konnte immer gut Streit anfangen (der Klassiker: die große Schwester mit Barbiepuppen bewerfen…). Kaum habe ich mich gewehrt, fing sie an zu heulen und ich bekam Ärger… Und meine Schwester hatte ein schadenfrohes Grinsen im Gesicht.
    Es hat eine Weile gedauert, aber irgendwann kam unsere Mutter auf den Trichter – bei unserem Vater sind wir uns noch nicht so sicher, aber wir sind erst 27 und 25, von daher haben wir noch Hoffnung 😉

    Und trotz aller Barbiewürfe sind meine Schwester und ich mittlerweile auch beste Freundinnen 🙂

    Lieben Gruß!
    Nadine

  4. Eigene Kinder habe ich leider nicht. Aber dennoch denke ich, dass ich als Älteste von vier Geschwistern etwas sagen kann: Ja, auch wir wurden und werden von unseren Eltern unterschiedlich behandelt. Ich war sozusagen das Probestück. Bei den Jüngeren lief einiges anders. Dennoch hatte und habe ich nie das Gefühl, dass meine/unsere Eltern ihre Liebe nicht gerecht auf uns verteilen.

    Klar, die Jüngste hatte irgendwie mehr Freiheiten. Und das fand ich zu gegebener Zeit auch mal ziemlich doof. Heute lächle ich darüber. Dann gab es eine Situation, dass wir Teddybären geschenkt bekamen. Jeder einen unterschiedlichen, damit es keinen Streit gibt… Finde den Fehler. 🙂

    Was ich sagen will: Deine Kinder werden sicherlich das eine oder andere Mal eingeschnappt sein, weil der eine gerade mehr Aufmerksamkeit bekommt als der andere. Oder weil es eben nicht für jeden das gleiche Spielzeug gibt. Aber sie werden tief im Herzen deine Liebe NIEMALS in Zweifel ziehen.

  5. Ich muss echt heulen wenn ich das gerade lese, ich liege fast jeden Abend wach und frage mich warum ich meine Große(auch erst 4) ständig zurechtweise, Vernunft verlange und einfach schlechter behandele als den Kleinen (2), er ärgert sie und sie ist geduldig mit ihm, nur irgendwann platzt ihr die Hutschnur und sie sagt "nein". der Kleine lässt ein Protestgeheul los und viiiiel zu oft kommt von mir dann "Ach, lass ihn doch!"
    Außerdem haben wir ja auch noch das Baby (4 Monate) und sie liebt ihre Brüder über alles und ist einfach toll, warum zeige ich das so selten?

  6. Ich glaube, dieses unterschiedliche Behandeln ist ganz normal, denn die Kinder selbst sind ja auch unterschiedlich. Meine Schwester hat der jüngeren Tochter (2,5 Jahre Altersunterschied) immer auch Geschenke gegeben – nicht wenige – wenn die Größere Geburtstag hatte. Ich fand das damals total doof. Eine Kleinigkeit ja, aber es ist nun mal der Geburtstag des Geschwisterkindes und nicht der eigene. Ich weiß ja noch nicht, ob und wie ich das mal hinkriege mit der gleichen oder eben unterschiedlichen Behandlung der Kinder, aber ich denke, gerade weil man beide bzw alle gleich lieb hat, kommt schon jeder auf seine "Kosten", auch wenn es mal nicht gleichzeitig ist. Wobei du mit den Seifenblasen tatsächlich nochmal überlegen könntest :p

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