Schweizer Nationalfeiertag – Kann man das essen?

Heute feiert die Schweiz Geburtstag, und zwar mit grossem Brimborium. Als ich auf Facebook fragte, ob denn der 3. Oktober in Deutschland auch mit Feuerwerk gefeiert wird, kam das Echo: «Äh, nein?» Sonja von Mama notes sprach von «keinem anerkannten Nationalismus hier» und Mirjam von Themama konstatierte: «Nachdem ich als Deutsche seit 10 Jahren nun in der Schweiz lebe, finde ich es eigentlich schade, dass der 3. Oktober und die Wiedervereinigung nicht mal ein wenig gefeiert werden. Mir gefällt es, dass am 1. August die Schweiz feiert. Es muss in Deutschland ja nicht gleich mit Feuerwerk etc. sein, aber aufgrund der Historik, die Deutschland nun mal hat, wollen die Deutschen wohl einfach kein Aufsehen erregen. Wir Deutschen kompensieren das dann einfach immer, wenn wieder Fussball EM oder WM ist.»

Ich habe mich selbst noch nie als Patriotin gesehen. Aber je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr realisiere ich, dass der 1. August als Feiertag doch ganz tief in mir als Schweizerin verwurzelt ist, ganz unbewusst. Dinge, die für mich ganz eindeutig zu einem Nationalfeiertag dazu gehören, sind in Deutschland undenkbar. Hier also ein kurzer Abriss in Schweizer Folklore und Historie für alle, die das interessiert:

Der 1. August 1291 gilt als Gründungstag der Schweiz, der «Eidgenossenschaft». An diesem Tag soll der Bundesbrief der Orte Uri, Schwyz und Unterwalden unterschrieben worden sein. In diesem Bund versprachen sich die drei «Eid-Genossen» gegenseitige Hilfe gegen die Habsburger, die Feinde von aussen. Nach der Legende erfolgte dieser sog. Rütlischwur auf der Rütliwiese über dem Vierwaldstättersee, wo auch heute noch die offizielle Bundesfeier mit einer Ansprache des aktuellen Bundespräsidenten/der Bundespräsidentin (das ist der Primum inter pares der Bundesräte*innen, sprich der alternierende Chef unter den sieben Bundesräten*innen) stattfindet. Mit diesem Schwur 1291 soll die «Schweiz» bzw. die «Eidgenossenschaft» oder «Confoederatio Helvetica» (Autokennzeichen CH) begonnen haben. Mit den Jahrhunderten gesellten sich immer mehr Kantone friedlich oder auch kriegerisch zu den Urkantonen – bis zur Schweiz, wie wir sie heute kennen. Weitere Infos findet man kurzweilig zum Beispiel auch hier.

Reden, essen und trinken
In vielen Städten und Dörfern finden am Nachmittag oder abends Feiern statt, wobei ein regionaler oder nationaler Politiker eine Rede hält. Da war ich aber noch nie. Ich hasse Reden… Traditionellerweise werden aber Grillwürste gebraten (Cervelats, Bratwürste). Wo es kein Feuerwerk gibt, findet oftmals ein Höhenfeuer statt. Die meterhohen, brennenden Holzkegel kann man schon von weitem sehen, sie leuchten sozusagen über den Gemeinden. Sie sollen wohl an die brennenden Burgen während und nach der Befreiung aus der vor allem habsburgischen Knechtschaft erinnern.

Feuerwerk
Feuerwerke sind ein MUSS. Für mich zumindest. Es gibt offizielle Feuerwerke der grösseren und manchmal auch kleineren Städte. Millionen von Steuergeldern werden da verpulvert. Als ich noch in Basel wohnte, gingen wir jedes Jahr an das (wirklich!) spektakuläre Feuerwerk am Rhein. Die Stadt ist dann proppenvoll und man steht dicht an dicht. Es ist aber auch üblich, dass man selber privat Feuerwerke zündet. Aufgrund der Hitzewelle im Juli dieses Jahr hat jeder Kanton andere Regelungen, ob Feuerwerk verboten ist oder tatsächlich stattfinden darf. Wir im Aargau dürfen. DAS DA werden wir morgen privat auf dem Feld neben unserem Haus in die Luft schiessen, genauso wie unsere Nachbarn das auch tun werden:


Achtung, in einigen Städten findet die offizielle Bundesfeier schon am 31. Juli statt, so auch in Basel – auf diese Weise kann man am 1. August (übrigens erst seit 1993 ein offizieller Feiertag!) ausschlafen.

Flagge bekennen
Die meisten Häuser und Gärten sind mit Schweizer Fahnen und Fähnchen geschmückt, und keiner regt sich darüber auf oder fühlt sich nationalistisch bedrängt. Es ist gemütlich, urchig, wie wir sagen, wozu auch die vielen Lampions beitragen. Ausserdem ist die Beflaggung der öffentlichen Gebäude, Strassen und Plätze an den meisten Orten sogar gesetzlich vorgeschrieben (man stelle sich das in Deutschland vor!).

1. August Brunch
Eine 1.-August-Tradition, die es seit 1993 gibt: Frühstück auf dem Bauernhof. Seit einigen Jahren machen wir das regelmässig, denn es ist so toll! Es gibt selbstgebackenes Brot, Zopf, 1.-August-Weggen, Butter, Marmelade («Konfi»), Rösti mit Ei, Käse, Schinken, Aufschnitt, Joghurt, Müesli… Dieses Jahr machen wir das zum ersten Mal seit langem nicht, da Copperfield zurzeit ja wie ein Huhn ohne Kopf in der Gegend herumrennt und es dort keine Kinderstühle, sondern nur Sitzbänke gibt. Dennoch: Wenn ihr mal am 1. August in der Schweiz seid und wirklich tolle Schweizer Folklore erleben wollt: unbedingt machen! Und vorher anmelden!!!

So, das war ein kleiner Abriss des Schweizer Nationalfeiertags. Ihr findet das nationalistisch? Ich bin ja auch noch halb Französin und war am 14. Juli, dem Tag des Beginns der französischen Revolution 1789 und heutigem französischem Nationalfeiertag auch schon einmal in Paris. Dort gibt es auf der Champs Elysées eine fulminante Militärparade («Défilé») mit Flugshow der Patrouille de France, die ihresgleichen sucht. Auch und vor allem DAS wäre in Deutschland undenkbar. Wie merkwürdig mir das als Schweizerin anmutet, wenn man die Existenz des eigenen Landes nicht mehr feiern darf.

Abschliessend zur Titelfrage: Schweizer Nationalfeiertag – Kann man das essen? Definitiv ja! Cervelats bzw. Grillieren (in Deutschland: Grillen) gehören einfach dazu!

1 thoughts on “Schweizer Nationalfeiertag – Kann man das essen?

  1. Naja. Am 01. August grillt es sich aber auch besser als am 03. Oktober, so wetter-technisch.
    Aber es stimmt schon. Wer hängt hier eine Deutschland-Flagge auf, das ist fast schon Frevel, wir, mit unserer "Kriegsschuld".
    Ich sollte mich mal wieder bei meiner Tante aus Uzwil melden!

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