Das gewünschteste Wunschkind kommt 2016 in die Schule #AntiAdventskalender

Im Dezember machen zahlreiche Gastautoren bei meinem ANTI-Adventskalender mit, bei dem sich alles um die Frage dreht: Was erwartet uns 2016? Ein bisschen Tschakka und Glitzer im Leben muss nämlich auch 2016 sein!

Wer kennt den Blog Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten nicht?! Snowqueen und Danielle bloggen dort über Erziehung, und zwar so gut, dass ich sie an die Spitze der Erziehungsratgeber stelle. Snowqueen habe ich bereits persönlich kennengelernt – und sie ist sooo sympathisch!! Und was ich nie vergessen werde: Als ich Probleme mit LadyGaga hatte und wir uns recht ordentlich angebrüllt haben, hat Snowqueen sich die Zeit genommen und einen ellenlangen Kommentar auf meinem Blog hinterlassen. Und sie hat mir damit so sehr geholfen, denn sie hat mir die Augen geöffnet, ohne zu werten. Das ist eine Kunst, liebe Snowqueen, eine Gabe! Anderen Eltern zu helfen, ohne sich wirklich einzumischen, ohne sich über sie zu stellen, ohne den Stempel rauszuholen. Euer Blog ist wirklich toll und hilft so vielen vielen Eltern, danke dafür! Heute schreibt Snowqueen bei mir über das Einschulungsprozedere in Berlin. Wat habe ich gelacht!

 

(c) Fotolia
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Oh. Mein. Gott! 2016 ist es schon so weit – meine Töchter kommen zur Schule! Konfetti! Raketen! Fanfaren!

Ich hätte allerdings beinahe verpasst, sie dafür anzumelden, weil ich natürlich das Briefchen, das in ihrem Kindergartenfach für mich lag, einfach gedankenverloren in meinen Rucksack steckte und ihn dort prompt vergaß. Mein Rucksack ist nämlich so etwas wie ein Friedhof für wichtige Dokumente. Sobald ich eins da reinstecke, ist es sofort verkrumpelt, dreckig und wird von den vielen Büchern, die ich immer mitschleppe, auf den Boden der Tasche gequetscht. Einmal im halben Jahr finde ich die Zeit, den Rucksack wirklich zu leeren und erschrecke dann regelmäßig, weil ich wieder hunderte Fristen verpasst habe. Ich brauche dringend eine Assistentin, finde ich.

Diesmal aber hatte ich Glück, denn wie es der Zufall so wollte, musste ich just in dem Moment zum Amt, um einen Kita-Gutschein für unseren kleinen Sohn zu beantragen (natürlich auch fast zu spät, aber das ist eine andere Geschichte), als auch der Anmeldezeitraum für die kleinen Schulanfänger begann. Mir wurde kurz einmal heiß und kalt, als ich das Plakat für die Schulanmeldung im Amt sah, dann freute ich mich, dass ich noch ein paar Tage Zeit hatte. Ganz so einfach ist das Prozedere nämlich nicht.

Ich wohne in Berlin, im kinderreichsten Bezirk überhaupt, und wenn hier etwas Mangelware ist, dann Kita- und Schulplätze. Eigentlich ist es so, dass man sein Kind an der Einzugsschule anmeldet. Dann hat man eine etwa 80-prozentige Chance, dort tatsächlich einen Platz zu bekommen. Gefällt einem die Einzugsschule nicht, hat man ein Problem. Man könnte seinen 80-prozentigen Platz aufgeben und sich für die Wunschschule anmelden, doch dass man dort angenommen wird, ist wirklich sehr, sehr unwahrscheinlich.

Man kann «gewichtige» Gründe für den Wechsel-Wunsch angeben, aber diese zählen am Ende eigentlich kaum etwas. Einzig und allein, wenn schon ein Geschwisterkind auf der Wunschschule ist, kann man davon ausgehen, dass man möglicherweise vielleicht doch einen Platz bekommt. Feste Freundschaften, die im Kindergarten gewachsen sind, kann man gern angeben, helfen aber in der Realität nur, wenn man eine sehr empathische Bearbeiterin erwischt.

Kluge Eltern erwähnen beim Wechselwunsch, dass sie eine Schule bevorzugen, die jahrgangsübergreifendes Lernen praktiziert, weil das das Steckenpferd des Senats ist. Selbstverständlich wissen fast alle Lehrer (wie ich), dass dieses jahrgangsübergreifende Lernen eine wunderbare Idee auf dem Papier ist, aber eben in der Praxis ganz häufig daran scheitert, dass nur ein Lehrer mit 30 Erst- und Zweitklässlern allein ist. Gesunder Menschenverstand sagt einem schon, dass das nicht wirklich klappen kann, sondern da immer etwa 25 Kinder allein vor sich hin werkeln und eben nicht ganz genau wissen, was sie eigentlich tun. Aber egal – wenn die Wunschschule dieses jahrgangsübergreifende Lernen hat und die Einzugsschule nicht, dann hat man ein paar Prozentpunkte mehr Chance, wechseln zu dürfen.

Bekommt man den Platz in der Wunsch-Schule nicht, wird man übrigens irgendeiner Schule mit Kapazität im Bezirk zugewiesen – was im Klartext bedeutet: Man bekommt die Schule mit dem schlechtesten Ruf.

Wir Eltern berieten also, wie wir den Wechselwunsch am besten begründen könnten. Ich zog am nächsten Morgen los, um die Töchter in der nahe liegenden Einzugsschule an- und gleichzeitig umzumelden. Da mein Sohn zu diesem Zeitpunkt noch nicht in die Kita ging, nahm ich ihn kurzerhand mit. Sofort nach Betreten des riesigen Altbaus überkam mich ein seltsames Gefühl – ich war plötzlich wieder sechs Jahre alt und musste an der Tür zu dem Raum, dessen Namen ich nicht aussprechen konnte, klopfen. Wie in meiner Kindheit auch, bat mich eine etwas ungeduldige, kraftvolle Stimme herein. Bevor ich irgendetwas Freundliches sagen konnte, musterte mich die Sekretärin von oben bis unten, erfasste sofort die Lage und maulte, ohne Zeit zu verlieren: «Name?»

Sie händigte mir etwa fünf Zettel in natürlich zweifacher Ausführung aus, die ich bitte jetzt gleich ausfüllen sollte. «Oh. Naja, wissen Sie, ich habe den Sohn dabei, ich glaube nicht, dass der so lange durchhält. Könnte ich die Unterlagen vielleicht mitnehmen und Ihnen morgen wieder vorbeibringen?» – «Nee, nee, nee – dit hab ick mal jemacht, mack ick nie wieda! Fehlte nämlich dauernd watt. Nee. Schreibense mal!»

Ich seufze. Na, dann mal los. Ich fange an mit den Namen der Töchter und ihrem Geburtsdatum, der Adresse und ihrer Nationalität. Das geht mir leicht von der Hand und ich gewinne ein wenig an Selbstsicherheit – etwas, das ich immer leicht verliere, wenn ich bürokratische Dokumente ausfüllen muss. Ja, doch, doch, ich habe zwei Staatsexamen und diverse Zusatzausbildungen, aber gib mir ein Anmeldeformular und ich fühle mich völlig hilflos.

Bei der Frage, ob Religionsunterricht, oder nicht, komme ich ins Stocken. Das hatten wir Eltern gestern nicht besprochen – die bessere Hälfte ist evangelisch, ich bin konfessionslos. Die Auswahl auf dem Blatt zeigt «Religionsunterricht», «Lebenskundeunterricht» und «Gar nichts».

Ich kreuze Lebenskundeunterricht an, weil ich den an meiner Arbeits-Schule ganz nett finde. Dann überlege ich nochmal und frage die Sekretärin: «Gibt es wirklich Kinder, die weder Reli noch Lebenskunde haben?» «Jupp. Die ham dann frei. Sind uffm Schulhof, wer‘n beuffsichticht.» Cool, denke ich, eine Stunde weniger Unterricht, dafür eine Stunde mehr spielen? Das nehmen wir! Ich zerkritzele das Kreuz neben «Lebenskunde» und setze es ein Kästchen weiter neben «Lass mal gut sein, meine Kinder haben eh schon genug zu tun».

Als ich zu dem Part komme, an dem ich erklären muss, warum ich für meine Töchter eine andere Schule wünsche, wird es ernst. Da auch unsere Einzugsschule jahrgangsübergreifendes Lernen praktiziert und für uns damit dieses Argument wegfällt, haben wir uns geeinigt, dass ich schreibe, dass wir wegen der langjährigen Kita-Freundschaft der Kinder, die nicht auseinandergebrochen werden soll, wechseln möchten. Selbstbewusst beginne ich, einen herzergreifenden Absatz über meine Töchter und ihre Freundinnen zu verfassen. Schreiben kann ich schließlich! Als ich zu den Namen komme, stocke ich. Scheiße, wie heißen die denn alle mit Familiennamen?

Ich habe ein totales Blackout. Äh… beste Freundin ist… Sarah. Sarah Wiehießsienoch? Mist. Ok, dann erst Helena. Helena…. äh. Puh. Ruhig bleiben. Ich versuche, mich an die Familiennamen zu erinnern, indem ich mir die Gesichter der Eltern vors innere Auge hole. Sarahs Mutter ist eine hübsche, elfengleiche, blonde Frau. Sie heißt…. Argh. Sarahs Mama halt. Watt weeß ick, wie die mit Nachnamen heißt. Fuck.

Ich simse wild in der Gegend rum und komme ins Schwitzen. Mein Sohn hängt in der Manduca und schwitzt auch. Er beginnt zu nörgeln. Hinter mir bildet sich eine Schlange anderer Eltern, die ihre Kinder auch anmelden wollen. Da fällt der Groschen. Goldmann! Sarah Goldmann! Yes! Ok, jetzt noch Helena. Irgendwas mit …sky am Ende. Nee, das fällt mir beim besten Willen nicht ein. Mein Gott, ich und meine verdammte Stilldemenz. Ok, dann muss Sarah ausreichen. Ah, aber ich hatte Helenas Vornamen schon auf das Anmeldeformular geschrieben, um den nicht auch noch zu vergessen. Was nun? Wegstreichen? Wie sieht das denn aus? Ich mache drei Punkte hinter Helenas Namen und stelle mich resigniert darauf ein, meine Kinder demnächst in die abgefuckte Ghetto-Schule zu bringen, weil ich die verdammte Anmeldung verpatzt habe.

Erschöpft unterschreibe ich und gebe der Sekretärin die Blätter. Diese ist mit mir aber noch nicht fertig. Sie will mit mir noch den kommenden Schuluntersuchungs-Besuch der Töchter beim Amtsarzt besprechen. Ich soll noch weitere Formulare dafür ausfüllen, aber der Sohn beginnt zu brüllen. Mit Blick auf das hochrote Bündel vor meiner Brust sagt die Sekretärin: «Ach, wissense watt? Ick jeb ihnen die Unterlajen für den Arzt mit. Füllnse zuhause in Ruhe aus, und bringen dit mir morjen vorbei, ja?»

«HÄ???»

1 thoughts on “Das gewünschteste Wunschkind kommt 2016 in die Schule #AntiAdventskalender

  1. Haha, sehr schön, da weiß ich ja, was mir in einem Jahr blüht! Ich wohne nämlich im gleichen Bezirk wie Snowqueen 🙂
    Biete mich gern als Snowqueens Assistentin an, mein Rucksack wird täglich ausgeleert, hihi.
    Alles Liebe!

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