Frau Mutter ruft zusammen mit scoyo, wo ich im Elternbeirat bin, zur Blogparade #HausaufgabenfürsLeben auf. Thema sind die Hausaufgaben – was ist sinnvoll, was nutzlos?
LadyGaga wird im August eingeschult. Ein grosser Moment, auf den wir uns alle sehr freuen. Wobei ich schon ambivalente Gefühle bei ihr feststelle. Ein neuer Lebensabschnitt – das macht auch Angst. Doch ich staune, was sie schon alles in der Vorschule lernt. Da wird bereits addiert, Wochentage werden gelernt, Logikreihen gelegt, die Motorik wird trainiert, die richtige Handhabung des Schreibstiftes geübt. Ja, im Schweizer Kindergarten wird man heute bestens auf die Schule vorbereitet. Die älteren Kinder der Gruppe haben nämlich bereits jeweils eine Wochenaufgabe: Am Montag erzählt die Erzieherin, was die Aufgabe ist. Die Kinder haben dann jeweils bis am Donnerstag Zeit, diese Aufgabe in der Vorschule zu erfüllen. Das kann das Basteln einer Kette mit bestimmten Farbmustern sein, das Malen eines Bildes, das Auswendiglernen eines Gedichts. Die Kinder können sich aber immer selber einteilen, ob sie es sofort erledigen wollen oder einfach VOR dem jeweiligen Donnerstag. Das klappt erstaunlich gut – und ich finde das eine sehr sinnvolle Übung.
Jedes Kind darf so sein eigenes Lerntempo spüren und lernt auch, spielerisch mit Zeitdruck umzugehen. Hausaufgaben haben auch etwas mit Eigenverantwortung zu tun.
Ich selbst mag mich sehr gut an drei Schlüsselmomente in meiner eigenen Schulkarriere erinnern:
Während zweier Jahre führte ich am Gymnasium ein Lerntagebuch. Darin hielt ich an JEDEM EINZELNEN TAG akribisch fest, welchen Zeitaufwand ich pro Fach zum Lernen oder für Hausaufgaben zuhause aufwendete – und welche Note bei der nächsten Prüfung daraus resultierte.
Ich regulierte mich also im gewissen Sinne selber. Zehn Stunden büffeln und eine schlechte Note als Resultat? Da stimmte was nicht. Zwei Stunden zuhause gelernt und eine gute Note geschrieben? Alles richtig gemacht. Ich kapitulierte irgendwann in Fächern wie Chemie oder Physik. Lernen brachte mir da keine wirklich besseren Noten ein als Nichtlernen, weil ich es einfach nicht kapierte. Also lernte ich zwar das Nötigste, akzeptierte aber auch das Resultat «as good as it gets». Schlaflose Nächte hatte ich keine.
Wie mir das Buch – übrigens meine eigene Idee – konkret half: Am Gymnasium hatten wir den härtesten Geografielehrer der Schule. Seine Prüfungen waren gefürchtet. Es gab nie Hausaufgaben, aber Unmengen an Unterlagen zum Lesen. Vor den Prüfungen habe ich gebüffelt wie blöd und trotzdem immer schlechte Noten geschrieben. Mein Lerntagebuch bezeugte es. Also änderte ich die Taktik und lernte nichts mehr auswendig, sondern schrieb wöchentlich eigene Zusammenfassungen der Lernblätter, die er uns abgab. Vor den Prüfungen lernte ich so gut wie nichts mehr. Meine Noten wurden tatsächlich besser.
Geschichte in der Unterstufe bestand aus Daten auswendig lernen. Das war so ätzend. Am Gymnasium hingegen verteilte uns der Geschichtslehrer kopierte Seiten aus Geschichtsbüchern, Manualen, Forschungsbüchern. Es gab bei ihm meistens keinen Frontalunterricht, er wollte uns aus der Reserve locken. Zum ersten Mal musste ich mir mein Wissen selbst erarbeiten, Verbindungen ziehen und dann die Quintessenz den Mitschülern vorstellen. Wir machten Vorträge, Vorträge, Vorträge. Ich leckte Blut, mein Gehirn gierte nach Wissen. Ich studierte später Geschichte an der Uni und bereue es bis heute nicht (meine Forschungsgebiete waren übrigens Frauen am Hof von Versailles, das Hexenwesen und die Geschichte des Sterbens durch die Jahrhunderte, nur so nebenbei erwähnt).
Mein Fazit
Hausaufgaben sind wichtig, um einen eigenen Zugang zum Frontalunterricht zu erlangen, davon bin ich überzeugt. Frontalunterricht war für mich schlimm, sogar noch an der Uni und 2014 bei der berufsbegleitenden Weiterbildung. Schlimmer als Hausaufgaben, wie ich finde. Ich hatte einen tollen Geschichtslehrer am Gymnasium, der mich fürs Leben geprägt hat, weil er mich gelehrt hat, Dinge zu hinterfragen und selber nachzuforschen. Er hat an mich geglaubt und war überzeugt davon, dass ich Grosses bewegen werde im Berufsleben. Danke, Herr F.! Was wir also heute nach wie vor brauchen und ich mir wünsche, sind gute Lehrer, die unseren Kindern vermitteln, dass Lernen Spass macht. Lernen als Selbstzweck. Und wenn mal was nicht in den Kopf geht bzw. nicht funktionieren will, muss man vielleicht einfach mal die Vorgehensweise ändern. Wie im echten Leben übrigens auch. #HausaufgabenfürsLeben eben, die ich meinen Kindern mit auf den Weg geben werde.
Wahnsinnig interessant, die Sache mit den Lerntagebüchern! (Ich war 1995/1996 in der 3.Klasse, hihi) Es ist so wertvoll, so etwas als Erinnerung zu besitzen! In der Schule habe ich das nicht gemacht, aber in meinem Abschluss-Jahr beim Studium, wo ich für die praktische Abschlussprüfung zur staatlich anerkannten Musikpädagogin täglich meinen Übe-Fortschritt notiert habe. Zwischendurch bin ich ungeplant mit Fiona schwanger geworden. dieses Tagebuch ist heute Gold wert für mich als Erinnerung. Liebe Grüße!
Läck was für ein Streber Du warst 😀
(sagt eine, die in der Schule noch nicht mal das Lernen gelernt hat und danach an der Uni massiv auf die Welt kam)
Jaaaa so im Nachhinein betrachtet war das wohl so. Ich kam mir selber aber gar nicht streberisch vor. Ich hab ja ganz pragmatisch nur noch dort gelernt, wo es sich gelohnt hat. Ich würde also nicht sagen, ich war ein Streber – aber schon damals extrem organisiert ? ?
Spannender Beitrag. ich glaube so ein Lerntagebuch hätte mir auch manche Klarheit schaffen können. Man betrügt sich ja doch hin und wieder selbst, was die Lernintensität betrifft. Zumindest als Schüler.
Wow, das nenne ich mal strukturiertes Lernen! Eine hilfreiche Kosten-Nutzen-Rechung 😀
Und ich wünsche unseren Kindern auch so engagierte Lehrer wie den Herrn F., die ihnen den Spaß am Lernen erhalten, denn Kinder haben ja einen wunderbaren natürlichen Antrieb, Dinge zu erforschen und zu hinterfragen!
Danke für diesen spannenden Beitrag zu unserer Blogparade 🙂
Liebe Grüße,
Kali von scoyo