Die Wiederentdeckung meines Willens – die Chocolate Challenge

Irgendwann fiel es mir auf: Mein Schokoladenkonsum ähnelte meinem Suchtverhalten, als ich noch rauchte. Ich ertappte mich immer öfter mit Schokolade im Mund, ohne überhaupt noch zu wissen, wie die Schokolade dorthin gelangt war. Der Griff zur Schokolade war zum Usus geworden. Wer mag denn schon keine Schokolade! Und dann noch Schweizer Schoggi!! Aber es hatte überhandgenommen. Mit Genuss hatte das nichts mehr zu tun, ähnlich einer Zigarette, die man einfach anzündet, weil man sie anzünden muss – und nicht weil man Lust darauf hat. Langsam reifte in mir der Gedanke, dieses Suchtverhalten zu durchbrechen. Ich wusste, meine Waage würde mir dankbar sein. Und so entschloss ich am 1. September ganz spontan, per sofort für einen Monat mit dem Schokoladenkonsum aufzuhören.

Das hört sich jetzt einfach an. War es aber bei weitem nicht. Aber einmal in den Kopf gesetzt, wollte ich das jetzt einfach durchziehen und teilte dies auf Twitter mit, um es für mich auch offiziell und verpflichtend zu machen. Meine Chocolate Challenge war geboren.

Der erste Tag

Ich beschönige es nicht: Es war hart. Keine Schoggimilch zum Frühstück (ich trinke keinen Kaffee). Keine Schokolade als Dessert nach dem Mittagessen. Kein Cookie. Nichts. Wer schon einmal auf etwas verzichtet hat, weiss, wie das ist. Natürlich könnte man OHNE, aber mit dem bewussten Verzicht dreht sich plötzlich alles nur noch um diesen Gedanken: Ich. Muss. Schokolade. Essen. Der eigene Kopf fickt dich quasi (ups). Aber ich habe durchgehalten. Gelitten, aber durchgehalten.

Der zweite Tag

Ganz ehrlich: Es war noch viel härter. Ich wachte auf mit dem Gedanken an Schokolade. Ich ging ins Bett mit dem Gedanken an Schokolade. Aber ich habe keine gegessen oder getrunken. Besonders erschwerend war für mich, dass ich an diesem zweiten Tag meiner Challenge nach Zürich reisen musste. Immer, wenn ich mit dem Zug morgens in Aarau abfahre, kaufe ich mir im Bistro eine heisse Schokolade und ein Laugengipfeli. Den Automatismus bemerkte ich aber erst, als ich am Bahnhof stand. «Ich habe heute keine Schokolade für Dich!», sagte ich mein inneres Mantra. Und war extrem gefrustet.

Ich traf in Zürich eine Geschäfts-Sparringpartnerin zum Brunch. Ich trinke morgens wie gesagt keinen Kaffee. Der Kakao fiel aber flach. In dem Restaurant, das sie ausgesucht hatte, gab es nur Müesli… und Brownies (!) zum Frühstück. Ich hasse Müesli. Also habe ich zum Brunch nichts gegessen und an meinem Tee genippt. MÄHHH.

Der dritte Tag

Zum Glück war ich an diesem Tag zu Hause. Oder eben auch nicht zum Glück, denn auch da existiert Schokolade in jeglicher Form. Es waren zähe Stunden, auch an Tag 4, 5, 6, 7… Geholfen hat mir dabei das zahlreiche Nachfragen von @NCalislar auf Twitter, die selber dieses Jahr sehr viel abgenommen hat. Sie hat mich sehr motiviert, danke! Ausserdem habe ich plötzlich auf der Waage festgestellt, dass seit langem festgesetzte Pfunde plötzlich purzelten. In your face, Schoggi!

Irgendwann wurde es besser

In der zweiten Woche hatte ich eine Ferienpass-Sitzung im Dorf. Als Dankeschön für eine erledigte Arbeit schenkte mir eine befreundete Mutter eine Packung Tee, weil ich ja «keine Schokolade mehr essen darf». Sie hatte meinen Eintrag auf Twitter gelesen. Das freute mich dermassen und motivierte mich weiterzumachen. Ich wurde gehört und ernst genommen!

Am nächsten Tag dann das nächste Ereignis: Ich war mit meiner Tochter in der Stadt, und sie wollte unbedingt in den Cupcake-Shop, wo wir eigentlich immer einen Cupcake-To-Go für uns kaufen. Ich habe LadyGagas Cupcake bezahlt und ohne mit der Wimper zu zucken keinen für mich genommen, obwohl es auch solche ohne Schokolade gibt. Warum? Weil ich keine Lust hatte. Ich meine, WTF! Ich kenne mich so nicht. Bin schon ziemlich stolz.

Der Verzicht wurde immer leichter. An einem anderen Tag dieser Woche war ich an einem Ärztekongress. Irgendwann griff ich gedankenverloren nach dem süssen Teilchen, das neben mir auf einem freien Platz lag. Sie waren vor Beginn verteilt worden. Ich öffnete gerade die Verpackung, als ich realisierte: Das ist ein Tartuffo, und der besteht aus Kakao. Ich habe das Tartuffo wieder verpackt und nicht gegessen. Für euch klingt das vielleicht alles ganz banal, aber für mich war mein eigenes Verhalten unglaublich. Ich merkte plötzlich, wie stark mein Wille wirklich ist. Wenn ich keine Schokolade essen will, dann esse ich keine. Mein Kopf ist stärker als mein Magen. Das Bewusstsein darüber, wie stark ich bin, war unglaublich erhellend und motivierend. Ich konnte mich plötzlich ganz intensiv spüren.

Endspurt

Ende September gingen wir in die Ferien. In Frankreich-Ferien sind Pains au chocolat ja eigentlich Pflichtprogramm. Aber ihr könnt euch schon denken: nicht für mich. Diesmal habe ich eisern durchgehalten. Schwierig wurde es zum Schluss nochmals, weil ich dachte, der 1. Oktober sei ein Montag, dabei war er erst am Dienstag. Ich hatte mich darauf eingestellt, am Montag ein Stück Schokolade essen zu dürfen. War halt nix.

Der 1. Oktober

Am 1. Oktober überreichte mir meine Mama ein Stück schwarzer Schokolade, das sie an unserem gemeinsamen Mittagessen im Restaurant heimlich für mich aufgespart hatte.

Lukullischer Genuss!

Ich liess mir dieses Stück schwarzer Schokolade auf der Zunge zergehen und es war eine Geschmacksexplosion. Ka-Tching! Das hat mir wieder verdeutlicht, warum ich Schokolade so sehr liebe süchtig danach bin. Ich hab mich aber nicht vollgestopft, sondern die Schokolade bewusst genossen.

Seither esse ich nur sehr sehr sehr wenig Schokolade, nicht aber gar keine mehr. Das würde ich eh nicht aushalten, und ich finde auch, das sollte nicht Sinn der Sache sein. Warum sollte ich mir etwas verneinen, das ich liebe und das nicht per se ungesund ist? Aber ich finde es gut, dass ich die Schokolade jetzt wieder bewusst geniessen kann und mich nicht einfach vollstopfe damit. Es dreht sich nicht mehr alles um Schokolade in meinem Kopf und ich kann auch NEIN sagen, wenn ich Schokolade sehe. Drei Kilo habe ich durch den einmonatigen Verzicht auf Schokolade abgenommen. Daneben habe ich aber ganz normal weiter gegessen und auch Süsses konsumiert. Ich finde, das zeigt schon, dass mein Konsum deutlich zu hoch war.

In Frankreich am 3. Oktober bei einem Chocolatier gekauft – ein Traum von Schokolade!!!! Ich habe nur wenig davon gegessen, den Rest hat die Familie verputzt.

Wie geht es weiter?

Nachdem ich nun meinen lange verstaubten inneren Willen wiederentdeckt habe, habe ich mir vorgenommen, weitere Challenges durchzuführen. Ich fühle mich gestärkt! Ich denke, ich werde im Monat November komplett auf Süssgetränke verzichten. Ich bin nämlich auch ein Cola-Junkie… Macht ihr mit, gibt es auch etwas, dessen Konsum ihr für euch regeln möchtet? Nur bei den Zigaretten funktioniert das so natürlich nicht. Wer mit Rauchen aufhören möchte, sollte das nicht nur für einen Monat, sondern für immer machen. Meine letzte Zigarette habe ich vor über zehn Jahren geraucht. Mein täglicher Konsum damals lag bei anderthalb Päckchen. Wie ich aufgehört habe? Genau gleich wie bei der Schokolade: von einem Tag auf den anderen gestoppt, weil ich realisiert hatte, dass ich die Zigaretten nicht mehr aus Genuss rauchte. Es war ein Automatismus geworden.

Ich hätte nicht gedacht, dass ich dieses Gefühl der Kontrolle über mich und meinen Körper nochmals empfinden würde. Mit den Jahren und den grauen Haaren fühlt man sich gerne abgestumpft. Aber wisst ihr was? Das ist man aber gar nicht!!!

 

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