Verschiebung der Wahrnehmung

Noch vor einem Monat habe ich mit Schrecken festgestellt: Der nächste Kindergeburtstag naht und ich habe noch nichts organisiert. Nie hätte ich damals gedacht, dass diese Angst ein Luxusproblem ist und ich mich heute mit ganz anderen Ängsten herumschlagen muss. Ich erlebe wie ihr alle eine Verschiebung der Wahrnehmung von Wichtigkeit. Morgen also ist Copperfields sechster Geburtstag, das zählt. Wir feiern alleine.

Ich hatte im Februar und Anfang März noch gestresst zu Pokémon-Partys recherchiert, Spielideen kreiert, Druckvorlagen zusammengesucht. Die Einladungskarten an Copperfields Freunde waren verteilt, die ersten Anmeldungen trudelten ein.

Und dann kam alles anders.

Schon als der Bundesrat per 16. März schweizweit alle Schulen schliessen liess, war mir klar, dass das ein ganz besonderer Geburtstag werden würde. Zunächst zögerten wir noch, ob wir die kleine Party absagen sollten. Eingeladen waren sechs Kinder, eine Restriktion gab es damals (damals! Das ist weniger als zwei Wochen her!!) noch nicht. Wir haben die Party abgesagt, noch bevor der Bundesrat Ansammlungen von mehr als fünf Personen untersagte. Macht das Virus vor einer Zahl halt? Wollen, können wir das als Eltern verantworten? Unsere Antwort war: nein. Und so informierten wir die Eltern der eingeladenen Kinder entsprechend. Als dann eine Mutter erleichtert antwortete, dass sie sowieso hätte absagen müssen, weil ihr Mann Krebs hat und das Kind deshalb leider zurzeit auch isoliert sein müsse, um den Papa zu schützen, wusste ich definitiv, dass wir richtig entschieden hatten. Es geht nicht nur um die «Alten», es geht um uns ALLE! Wir bleiben seit dem 16. März konsequent zuhause und gehen nur fürs Nötigste raus.

Gestrige Tagesbeschäftigung: Copperfield baut eine Flugzeuglandebahn durch das komplette Haus. Der Götti hätte seine Freude daran!

Was das mit mir macht, ist eine andere Sache. Aber ich bin so erleichtert, nimmt mein Sohn das mit Gelassenheit. Ja, er ist traurig, dass sein Geburtstagsfest auf unbestimmt verschoben ist, er seine Grosseltern und Onkeln und Tanten, seine ganzen Freunde nicht sehen kann. Er ist wütend auf Corona! Dafür hat er aber Mama, Papa und die grosse Schwester, die den ganzen Tag mit ihm zusammen sind und ihn feiern. Er IST NICHT alleine, er FÜHLT sich nicht alleine. Er wird getragen von mir und meinem Mann und macht sich keine weiteren Sorgen, sondern freut sich einfach auf seine Geschenke und seinen grossen Tag. Es tut gut zu wissen, dass wir ihn beschützen können und er sich auch beschützt fühlt. Es mangelt ihm an nichts, auch wenn vieles zurzeit fehlt. Heute weiss ich, was für ein Privileg das ist.

 

2 thoughts on “Verschiebung der Wahrnehmung

  1. Schön geschrieben…. wir sind noch am Abwarten… der Kleinste wird am Montag 1 Jahr alt, der „merkt“ noch nichts davon, da feiern wir halt alleine bzw. wir überlegen uns die Grosseltern und Gotti/Götti per Skype dazuzuholen beim Kuchen essen 🙂
    Der Grosse wird Anfang Mai 6.. und ich bereite ihn jetzt schon darauf vor dass das wahrscheinlich nichts werden wird mit Verwandten und Freunden… Ich denke mit einem entsprechenden Paket Lego lässt sich die Enttäuschung bei Ihm etwas abmildern. Die Kinder leben ja zum Glück noch so im Moment… und dass mein Mann seinen 40. halt irgendwann später feiern muss… und mein Geburtstag vermutlich fast ganz untergeht… egal… hauptsache wir bleiben gesund und unsere Familien auch!

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