Bedingungslos

Ich weiss nicht, ob ich das so schon mal hier formuliert habe, aber: Ich hatte einen schlechten Start als Mutter. Also, für mich war das zumindest so, auch wenn mein Umfeld das nicht so gesehen hat. Als ich 2009 schwanger wurde, hatte ich gerade eine neue Stelle als Chefredaktorin angetreten. Es war deshalb klar, dass ich nach der Geburt weiter arbeiten würde. Eben erst befördert und dann schon weg vom Fenster? Das wollte ich nicht.

Also arbeitete ich nach dem Mutterschutz 80% – drei Tage im Büro, einen Tag im Homeoffice. Einen Tag deckte mein Mann ab, zwei Tage die Woche war LadyGaga bei ihrer Patin, meiner Schwägerin. Dieser Spagat, der ja eigentlich gar kein schlimmer war, setzte mir enorm zu. Ich fühlte mich damals als Rabenmutter, hatte das Gefühl, alles falsch zu machen. Wie konnte ich nur die Karriere weiterverfolgen! Ich stand immer zwischen Tisch und Bank. In meinem wirren Kopf lag der Gedanke tief verankert, dass mein Kind mich sowieso nicht lieben würde. Ich arbeitete, statt zuhause zu bleiben. Dazu kam, dass ich nicht stillen konnte. Das schlechte Gewissen nagte unaufhaltsam an mir. Das Baby hübsch anzuziehen überforderte mich monatelang, ich überliess dies meinem Mann. In meiner Obhut hatte LadyGaga immer nur Strampler an, die einfach an- und abzuziehen waren. ALLES überforderte mich. Ich funktionierte einfach. Ich kann mich heute nur schlecht an diese Phase erinnern.

Doch alles änderte sich, als meine Tochter zu sprechen begann und mir zum ersten Mal sagte: «Mami, ich ha di gärn.» Ich musste weinen, als sie das freudestrahlend zu mir sagte und mich mit ihren Patschehändchen umarmte. DAS also war bedingungslose Liebe.

Etwas Glitzer für die Seele – Photo by Sharon McCutcheon on Unsplash

Warum ich heute darauf komme? Während des Lockdowns gab es eine Situation. Ich lag bei LadyGaga auf dem Bett und wir diskutierten über alles Mögliche. Plötzlich sagte meine Tochter. «Du bist eine tolle Mutter, weisst Du das?» Mir fiel sofort wieder dieser Moment ein, als sie mir mit zwei, drei Jahren sagte, wie lieb sie mich habe. Ich weinte stille Tränen, damit sie es nicht merkte, und hörte bewegt zu, wie sie erzählte, dass ich Corona ganz wunderbar wuppe und wie froh sie sei, dass sie mich als Mutter habe.

Es hallt noch immer in mir nach. Meine Tochter und ich streiten oft, sie ist bald 11 und wird eindeutig bereits hormonell durchgeschleudert. Beim letzten erdbebengleichen Streit sagte ich ihr danach versöhnlich: «Nur weil wir streiten und uns auch mal anbrüllen, heisst das nicht, dass ich Dich nicht bedingungslos liebe.»

Am nächsten Tag hörte ich, wie sie just diesen Satz nach einem kleineren Disput zu ihrem kleinen Bruder sagte.

Als Mutter alles richtig gemacht? Bestimmt nicht. Aber ein bisschen Glitzer darf man zwischendurch schon mal streuen.

2 thoughts on “Bedingungslos

  1. DAS war der perfekte Start in meinen Samstag! Vielen herzlichen Dank dafür!

    [und wir arbeiten weiterhin daran, dass wir uns nicht schlecht fühlen müssen, wenn wir ein modernes Clanleben führen!]

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