Vor unserem Haus wachsen dieses Jahr Maiglöckchen. Jedes Mal, wenn ich das Haus betrete oder verlasse, erfreue ich mich an ihnen. Im Mai 2008 habe ich geheiratet und mein Brautstrauss bestand aus Maiglöckchen. Seither liebe ich diese Blumen. Dabei war das nicht so geplant.
Für mein Brautbouquet hatte ich den damals teuersten Rosenladen Basels beauftragt, mir einen barocken Blumenstrauss aus fliederfarbenen Rosen mit Efeu zusammenzustellen. Doch es kam ganz anders: Der gelieferte Blumenstrauss bestand aus grellpinken Rosen und wirrem grünen kantigen Gestrüpp. Jede Frau, die schon einmal geheiratet hat, weiss, wie sehr die Nerven an diesem einen Tag zum Zerreissen gespannt sind. Alles sollte perfekt sein! Der Brautstrauss war aber jenseits abseits von perfekt. Es war eine persönliche Katastrophe.
Call me stupid, aber ich weigerte mich (mit der Distanz der weisen 44-jährigen Frau gesehen: regelrecht hysterisch), mit diesem Blumenstrauss vor den Altar zu treten.
Meine Eltern waren zu diesem Zeitpunkt bei mir zuhause, wo wir uns für die Hochzeit bereit machten. Und da passierte etwas, über das ich aktuell wieder nachdenken muss, weil ich die Maiglöckchen im Garten sehe.
Mein Papa bot mir einen Schnaps zum Beruhigen an (nochmals danke!). Meine Mama verfiel in den Mama-Modus – und gestaltete pragmatisch und mit viel Liebe aus den Maiglöckchen aus dem Garten meiner Oma, die sie mir tags zuvor geschenkt hatte, einen perfekten Brautstrauss, mit dem ich dann auch geheiratet habe. Er war perfekt, weil er von ihr kam. Und weil es die Blumen meiner Oma waren. Es war ein Zeichen von Liebe an einem Tag der Liebe.
Keiner schimpfte mit mir oder massregelte mich, sprichwörtlich die Kirche im Dorf zu lassen. Beide Eltern waren diskussionslos auf meiner Seite. Beide halfen mir auf ihre Weise, indem sie Ruhe ausstrahlten und die Dinge für mich in die Hand nahmen, ohne mich dabei je zu bemuttern. Ich war damals 32. Sie wollten ihrem Kind helfen, das so aufgelöst war. Alle Hindernisse aus dem Weg räumen, nur damit es mir gut geht. Retten, was zu retten ist. Ein Feuerwehrmann und eine Feuerwehrfrau für mich. Immer hörten sie mir zu.
Ich war ihnen damals im Moment sehr dankbar, ohne Frage. Aber das Grosse, Ganze sehe ich erst jetzt, wo ich selbst in ihrer Lage, selbst Mutter bin. Deshalb: Danke, dass ihr mir immer den Rücken gestärkt habt, ich dank euch stets weiterwachsen und gedeihen durfte im Leben, mit dem Vertrauen darauf, dass ich gut bin. Danke, dass ihr immer da und mir ein gutes Vorbild wart.
Denn wenn meine Kinder mich brauchen, stehe ich an vorderster Front. Mit Pflaster in der Tasche und Reservepulli unterm Arm. Mit Taschentuch für die Tränen oder einem Hackbeil für die Gegner in der Hand. Mit offenen Armen für eine Umarmung. Für immer. Auf ewig.
Ich mag meine Maiglöckchen im Vorgarten. Und den Rosenstrauss, den mein Mann mir gestern zum 13. Hochzeitstag geschenkt hat.
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