Seit einem Jahr bin ich nun zurück im Office. Das hat aber nichts mit der Pandemie zu tun. Nein, ich war schon vor Corona jahrelang im Homeoffice, nämlich seit 2014. Seit April 2022 aber verlasse ich regelmässig morgens das Haus und fahre mit dem Auto in die Aarauer Innenstadt, wo ich ein Büro von 23 m2 Grösse mein Eigen nenne. Diese dreiundzwanzig Quadratmeter sind mein zweites Zuhause geworden. Was spricht für das Home und was für das Office? Mein Resümee nach zwölf Monaten.
Pluspunkte für das Homeoffice
Wenn man extern arbeitet, ist es schwieriger, in die Gänge zu kommen. Es kekst mich manchmal regelrecht an, das Haus zu verlassen. Also trödle ich rum. Bin ich dann endlich im Büro, muss ich mich erstmal einrichten, bis ich im Flow bin. Im Homeoffice kann ich mich nach dem Aufstehen prinzipiell sofort an den Computer setzen und vom Fleck weg arbeiten. Mit komplett frischem Gehirn! Wenn da nicht noch die Kinder wären, die man zuerst für die Schule fertig machen muss. Aber das ist ja auch der Fall, wenn ich ins externe Büro gehe. Somit also: im Homeoffice minimaler Zeitverlust und früherer Arbeitsbeginn.
Der grösste Pluspunkt fürs Homeoffice ist natürlich, dass man sich die Zeit frei einteilen kann. Gerade mit kleinen Kindern ist das ideal. Man kann arbeiten, wenn die Kinder schlafen oder in der Schule sind oder gerade eine halbe Stunde in Ruhe spielen im Zimmer oder oder oder… Je nachdem kann man sogar ein wenig arbeiten, wenn das Kind krank ist. Man ist immer für die Kinder da und trotzdem bei der Arbeit. Es ist alles immer zwischen Tür und Angel, aber immer alles möglich. Es ist die maximale Flexibilität – vorausgesetzt, man kann mit dieser Eigenverantwortung umgehen und quasi auf Zuruf konzentriert produktiv sein und LIEFERN. Am Ende zählt nur das Resultat der Arbeit und dass es den Kindern gut geht. Hier erzähle ich übrigens von meinem Start ins Homeoffice 2014.
Minuspunkte für das Homeoffice
In den Vorteilen des Homeoffices liegen zugleich die Fallstricke. Wenn man gerne und viel arbeitet so wie ich, kann man gerne ins Duracell-Häschen-Syndrom verfallen. Arbeit und Arbeit und Arbeit finden kein Ende, alles verwischt zu einem grossen Ganzen.
Pluspunkte für das Office
Im Büro habe ich viel mehr Platz. Platz für meine Unterlagen. Platz für meine Ideen. Der Schreibtisch ist frei, weil ich Ablageflächen habe. Und auch im Kopf ist viel mehr Platz. Ich kann irgendwie lauter denken, besser denken. Und bin dadurch viel fokussierter.
Überhaupt: Fokus. Fokus. Fokus. Im Büro lenkt mich nichts von der Arbeit ab. Ich habe keine privaten Mails, die aufploppen. Keine Wäsche, die aufgehängt werden muss. Kein Handwerker, dem ich die Türe öffne.
Ich bin in einer Psychiatriepraxis zur Untermiete. Auf dem Stockwerk hat es auch andere Untermieter. Die Türe zu meinem Büro lasse ich meistens offen und immer wieder hält jemand an im Gang, um sich mit mir an der offenen Tür zu unterhalten. Das ist schön, es bietet Abwechslung. Es ist als Unterbruch nicht zu vergleichen mit einem Kind, das neben einem stehend irgendetwas von einem will. Im Büro ist der Unterbruch wie das Drücken auf eine Pause-Taste an der Fernbedienung. Nach der Pause kann man nahtlos weiterarbeiten. Zuhause ist man einfach RAUS aus dem Flow. Im Büro bin ich selbstbestimmt, was mir zuhause sehr gefehlt hat, da ich dort durch die Kinder fremdgesteuert war.
Nach einem Jahr alleine im Büro teile ich mir das Zimmer nun neu mit meiner Assistentin, die seit April bei mir arbeitet. Das ist wieder eine neue Erfahrung. Es ist nicht mehr ganz so viel Platz für meine Kreativität da. Aber noch viel mehr Struktur, da sie mir auch auf Zuruf Arbeiten abnimmt. Ausserdem macht es Spass zu zweit im Büro. Dieses Wachstum wäre im Homeoffice nicht möglich gewesen. Aber der Weg zurück ins Office brauchte Mut. Ich habe mich so vor diesem Schritt gefürchtet. Kann ich das? Will ich das überhaupt, diese Trennung von Arbeit und Leben? (Spoiler: Ja!)
Minuspunkte fürs Office
Wenn ich extern arbeite, habe ich mehr Stress, wenn ich zu einer fixen Zeit zuhause sein muss. Vorher war ich immer da, wenn ich benötigt wurde. Jetzt muss ich viel besser planen. Ich muss Mittagessen kochen? Dann muss ich um spätestens 11.30 Uhr aus dem Büro. Lohnt sich das dann überhaupt noch? Bleibe ich lieber zuhause und gehe erst nachmittags ins Büro? Kann mein Mann kochen? Können sich die Kinder zur Not auch etwas aufwärmen? Dieses Hin und Her ist anstrengend.
Ein weiterer Negativpunkt sind natürlich die Kosten. Ich bezahle für das externe Büro über 600 Franken im Monat, dazu kommt noch die Parkplatzgebühr, und ich esse sicher ein- bis zweimal pro Woche im Restaurant in der Stadt. Es läppert sich! Man muss bereit sein (und es sich auch leisten können), diese Kosten als Investition zu verbuchen. Hier hilft ein Budgetplan, die Übersicht nicht zu verlieren.
Kein Weg zurück
Heute kann ich mir nicht mehr vorstellen, wieder im Homeoffice zu arbeiten. Ich mag den Austausch mit den anderen im Büro. Ich mag die räumliche und gedankliche Trennung von Arbeit und Privatleben. Ich mag es, mehr Platz für meine Ideen im Büro zu haben und bin dort viel strukturierter, aber auch kreativer. Zuhause hat es mir an nichts gemangelt, ich konnte sehr gut arbeiten. Aber jetzt, wo ich ein Büro habe, möchte ich auch nicht mehr zurück, vielmehr möchte ich noch weiter wachsen. Wer weiss, vielleicht kommt ja irgendwann noch ein zweites Büro für mein Team dazu?
Zuhause denke ich nun viel weniger an die Arbeit als vorher. Ich arbeite auch nicht mehr gerne am PC im Arbeitszimmer zuhause. Viel zu klein! Wenn ich zuhause bin, bin ich zuhause. Auch wenn meine Tochter da widersprechen würde: «Mami, Du bist immer am Handy!» Dabei liegt das Handy unmotiviert in der Gegend herum, und dann und wann checke ich meine Social-Media-Kanäle, lese dort rein, kommentiere hier. Oder ich spiele ganz banal ein Game. Aber ich ARBEITE nicht. Das alles sieht sie nicht, aber ich, ich sehe es. Ich lebe es. Wenn ich zuhause bin, ist endlich fast so etwas wie Ruhe in meinem Kopf eingekehrt und es dreht sich nicht mehr alles in meinem Leben um die Arbeit. Ich sehe zwar, dass ein vielleicht lästiges Mail reingekommen ist. Aber dann denke ich auch: Das beantworte ich morgen im Büro, dann ist auch noch Zeit. Ich kann es aufschieben (und verdrängen…). Im Homeoffice war ich immer erreichbar, immer mit einem Fuss drin bzw. einem Finger an der Tastatur, «nur noch rasch ein Mail machen!» Und jetzt kenne ich PAUSEN. Somit also: Ich bin definitiv im Team Büro angekommen.
Und wie ist es bei euch, was sind eure Erfahrungen?
Liebe Séverine, es ist sehr spannend zu lesen, wie du die Arbeit im Home-Office bzw. im „richtigen“ Büro empfindest, weil ich es grösstenteils auch so erlebe. Statt eines „richtigen“ externen Büros habe ich mich allerdings dazu entschieden, einen minimalen Teil meines Arbeitspensums in einem Co-Working-Place zu leisten. Das tut mir sehr gut, weil ich dann unter die Leute komme und auch mal einen Kaffeeschwatz halten und neue Kontakte knüpfen kann. Aber ja, das hat seinen Preis, den man sich leisten können muss. Ich wünsche dir jedenfalls weiterhin viel Freude an deinem neuem Büro und viele kreative und effiziente Arbeitstage! Herzlicher Gruss, Rita
Danke liebe Rita. Ich finde es persönlich so bereichernd zu sehen, wie wir uns stetig weiterentwickeln im Leben. Ich freue mich, wenn wir uns bald wieder sehen!