Sie machen das richtig gut!

«Sie machen das richtig gut!», sagte meine Zahnärztin vor zwei Wochen zu mir.

Ich schaute sie verständnislos an.

«Na wenn ich sehe, wie Sie sich entwickelt haben.»

Ich war immer noch konsterniert. Wenn ich beim Zahnarzt bin, bin ich einfach ich, ich habe ja keine Möglichkeit, etwas zu erzählen, wenn der Mund offen steht. Wie soll ich mich also entwickelt haben?

Zuvor hatte ich gerade eine halbe Stunde auf dem Behandlungsstuhl verbracht. Für Teil I von III meiner zweiten Wurzelbehandlung innerhalb eines halben Jahres. 40 rocks – von wegen. Manchmal denke ich eher: 40 fucks.

Seit letztem Jahr habe ich eine neue Zahnärztin. Vorher war ich zwanzig Jahre beim gleichen Zahnarzt in Basel gewesen, weil: den Zahnarzt wechselt man ja nicht einfach so. Er ist der Arzt des Vertrauens, gerade bei einer Schmerzpatientin mit Zahnhistorie wie mir: Meine Milchzähne kamen alle schwarz heraus, da ich als Baby sehr krank war und über längere Zeit Penicillin erhielt, worauf in der Folge die Milchzähne beschädigt wurden (keine Angst, heute weiss man das und behandelt Babys anders als mich damals). Obwohl ich seit 2008 nicht mehr in Basel wohne, pendelte ich seither zur Kontrolle oder für neue Füllungen jeweils zu meinem Zahnarzt. Aber wenn eine Plombe unerwartet rausfiel, konnte ich nicht einfach rasch nach Basel fahren. Es war klar, dass ich irgendwann den Arzt wechseln muss. Im Sommer 2017 wagte ich den Schritt.
Als meine neue Zahnärztin zum ersten Mal meine Zähne begutachtete, sagte sie mitfühlend: «Oh weh, da haben Sie aber schon ganz viel leiden müssen.» Ich weinte, als sie das sagte. Überhaupt weinte ich einige Male bei ihr. Nicht vor Schmerzen. Aber vor Angst. Vor Stress. Und vor Aufgewühlt sein.

Den Kopf in den Sand stecken, gilt für mich nicht. Bild: (c) Fotolia

Die Sache mit der Spritze

Bei meinem alten Zahnarzt habe ich Füllungen immer ohne Spritze machen lassen, weil die Spritze selber schmerzte und wenig Erfolg brachte. Ich spürte das Bohren trotzdem immer, so schmerzempfindlich bin ich. Also biss ich quasi auf die Zähne (oder eben nicht) und liess die Prozedur ohne Spritze über mich ergehen. Jaja, Masochismus lässt grüssen. Aber immerhin war mein Mund danach wenigstens nicht den ganzen Tag betäubt.

Als die neue Zahnärztin zum ersten Mal bohrte und ich aufjaulte, meinte sie: «So kann ich nicht arbeiten, ich will Ihnen nicht wehtun.» Sie bestand darauf, dass ich die Spritze ausprobierte. Ich entgegnete trocken: «Das hilft eh nichts.»

Ich weiss nicht, wie dieses Ding namentlich heisst, das ein wenig wie ein Diabetes-Pen aussieht und nur sehr wenig wie eine herkömmliche Spritze. Aber ich spürte weder den Einstich der sehr kurzen Nadel an sich, noch dass die Spritze sich nach der ersten lokalen Betäubung IN. DEN. VERDAMMTEN. KIEFERKNOCHEN. BOHRTE. Jawohl, das tut sie. Um so den ganzen Zahn von allen Seiten zu betäuben. Ich habe mir das von der Ärztin danach ganz genau erklären lassen. Gespürt habe ich davon nichts.

Seit ich den Zahnarzt gewechselt habe, spüre ich so gut wie gar nichts mehr unter der Behandlung. Auch nicht bei der Wurzelbehandlung. Und wer jetzt denkt, mein Mund sei danach für den ganzen Tag betäubt: nein. Nach einer Stunde fühlt sich alles wieder ganz normal an.

Ich fragte meine Ärztin, ob sie eigentlich die einzige Zahnärztin sei, die dieser Art Spritze verwendet, denn egal, wen ich frage, keiner kennt das Prinzip der sich in den Kieferknochen bohrenden Spritze *hier Surr-Geräusch einfügen*. «Ich wollte einfach keine Schmerzen verursachen, deshalb habe ich gesucht, bis ich etwas gefunden habe, das den Zahn komplett betäubt.» Aha.

Ich mag den Besuch beim Zahnarzt immer noch nicht. Aber dass ich letzte Woche den zweiten Teil der Wurzelbehandlung nicht machen lassen konnte, weil Copperfield krank ist, wurmt mich. Man ist ja eigentlich froh, wenn man einen Zahnarzttermin leider leider nicht wahrnehmen kann. Höhere Gewalt und so. Ich aber will endlich alles hinter mich bringen.

Warum? Seit letztem Jahr wurden meine Füllungen generalüberholt. Und seit ich denken kann, schäme ich mich für meinen schiefen Schneidezahn und den schlecht gerichteten Eckzahn, den ich seit einem Unfall als Kind eben so habe. Und in mir wuchs der Wunsch, die Zähne auf meine alten Tage hin nochmals begradigen zu lassen, auch weil meine Zahnärztin meinte, dass das ohne allzu grossen Aufwand möglich sei. Sie gibt mir das Gefühl, dass alles möglich ist und ich auch mit 41 nicht einfach alles hinnehmen muss. Ich kann noch was ändern! Und so steht dieses Ziel seit letztem Winter stolz auf meiner Bucket-List, unterbrochen durch zwei blöde, unerwartete Wurzelbehandlungen.

«Sie machen das richtig gut.»

Sie auch, Frau C.!

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