LadyGaga hat ein weltoffenes Gemüt und möchte am liebsten die ganze Welt umarmen. Das finde ich sehr schön, ähnelt sie darin doch auch ein wenig mir. Plötzlich aber merke ich, wie das Umfeld verärgert auf sie reagiert. Und das beschäftigt.
Die Nachbarn
Unser Garten grenzt direkt an den Eingang des Nachbarshauses an, wo eine Familie mit drei kleinen Kindern in LadyGagas Alter wohnt. LadyGaga ist vernarrt in die Nachbarskinder, sie spielen viel zusammen. Bis hierhin wunderbar, auch wenn LadyGaga (bis vor Kurzem ja noch Einzelkind) oft versucht, den Ton anzugeben und dann beleidigt ist, wenn sie scheitert. Aber wenn die andere Mutter aus dem Haus geht, kann sie dies nicht tun, ohne dass LadyGaga nachfragt: «Wo gosch Du ane? Wo sind X, Y, Z? Ich dörf im Fall XYZ» usw. Und wenn der Vater abends nachhause kommt, dann unter dem Argusauge meiner Tochter.
Schon mehrfach habe ich ihr gesagt, sie solle nicht so neugierig sein, die Nachbarn in Ruhe lassen, die wollen schliesslich auch ihren Feierabend geniessen und und und. Aber LadyGaga ist einfach kindlichneugierig. Kann und will ich das unterbinden? Die Nachbarn sagen zwar nichts, bzw. auf meine Nachfrage hin erklären sie, dass alles OK so ist. Aber ich habe langsam das Gefühl, dass sie genervt sind, und ich kann es ihn nicht einmal verdenken.
Die Freundin in der Kita
In der Kita ist meine Kleine begeistert von einem anderen Mädchen, das sie als ihre beste Freundin bezeichnet. Aber immer wenn ich dieses sehr schüchtern wirkende Mädchen sehe, frage ich mich, was denn die beiden wirklich zusammen spielen. LadyGaga gibt vermutlich den Ton an, that‘s it. Denn LadyGaga ist schon sehr gerne Alpha-Tierchen. Auf dem Dorffest letzten Samstag waren auch dieses Mädchen und seine Eltern. LadyGaga freute sich unbändig. Wohl zu unbändig, denn die Eltern zogen ihre Tochter verärgert weiter. Zu Recht?
Die andere Freundin im Ballett
Im Ballett schwärmt sie ebenfalls von einem gleichaltrigen Mädchen. In der letzten Ballettstunde musste ich kurz rausgehen, da Copperfield Hunger hatte und schrie. Als ich zurück in den Trainingssaal kam, wo die Mütter in Reih und Glied auf ihren Stühlen sitzen und ihre Kinder (4- bis 6-jährige Mädchen) beobachten, hörte ich meine Tochter und das andere Mädchen kichern – während des Unterrichts. Die Lehrerin ermahnte und tadelte sie und drohte, sie rauszuwerfen. Recht so, dachte ich. Aber ich überliess der Lehrerin das Kommando, die ihre Gruppe ganz gut im Griff hat. Ich sah aber, wie verärgert die andere Mutter war. Sie zitierte ihre Tochter zu sich und schimpfte mit ihr. Ich beobachtete still (und hilflos?). Als LadyGaga später wieder zu dem Mädchen hin kicherte, sagte diese: «Hör auf damit, ich finde das nicht lustig!» Dann drehte sie sich zu uns Müttern um und rief laut: «Gell, Mami, das habe ich jetzt gut gesagt?» Ich fühlte mich mies, für meine Tochter. Und für mich. Ich fühlte mich zweifach gemobbt. Und hilflos. Wie bescheuert, ich bin doch eine erwachsene Frau! Ich holte LadyGaga zu mir und ermahnte sie, mit dem Quatsch aufzuhören. Aber eigentlich freute ich mich ja auch, dass meine Vierjährige so viel Freude hatte. Irgendetwas stimmte da nicht an der Situation.
Aber es kam noch besser. In der Umkleidekabine kicherten die beiden Mädchen wieder und steckten die Köpfe zusammen. Süss. Die andere Mutter aber herrschte ihre Tochter in einer slawischen Sprache an (und wohlgemerkt, sie sprechen sonst immer fliessend Schweizerdeutsch). Sie wollte also nicht, dass wir sie verstehen. Und dann rauschten sie ab, mit meiner aufdringlichen, glücklichen Tochter im Schlepptau (!). Ich konnte ihr nicht nachrennen, weil ich Copperfield mit Kinderwagen aus dem Gebäude buxieren musste. Als ich endlich beim Auto war, schimpfte ich ehrlich empört mit LadyGaga. Es war mir nicht nur peinlich, dass sie trotz für mich offensichtlicher Abneigung der anderen Mutter an ihrem Hosenbein klebte, sondern es war auch gefährlich, da sie nicht auf mich gehört hatte und alleine bis zum Parkplatz gelaufen war. Die andere Mutter brauste davon und meinte «Nein nein, alles wunderbar». Wer‘s glaubt.
Die Konsequenz: Ich habe LadyGaga gesagt, dass ich sie aus dem Ballett nehme, wenn sie nicht brav ist und auf die Lehrerin hört. Das hätte ich aber sowieso gesagt, da ich das Stören des Unterrichts ja gar nicht okay finde und auch nicht gutheisse. Die Reaktion der anderen Mutter aber lässt mich hilflos zurück.
Mamadrill ist mir echt zuwider
Ich schwanke zwischen Empörung und Unsicherheit. Erziehen wir unsere Tochter zu lasch? Aber mein Gott, sie ist VIER! Darf sie da nicht fröhlich und übersprudelnd sein? Darf sie nicht Fehler machen? Sie ist gut erzogen, hat gute Manieren. Sie weiss, gut und schlecht zu unterscheiden. Sie ist auch brav, mal davon abgesehen, dass sie da beim Ballett einfach davon gerannt ist, obwohl sie wusste, dass sie es nicht darf. Aber ich habe das Gefühl, in einer anderen Art der Mommy wars zu stecken: Ich werde zwar nicht direkt kritisiert oder in Konkurrenz gestellt, aber implizit heisst das doch alles: Ich habe meine Tochter nicht im Griff. Meine Tochter verhält sich schlecht. Aber LadyGaga hat diese unbändige Lebensfreude in sich. Ihr Kichern hört man schon von Weitem. Ja, sie ist überdreht und ungefiltert. Aber ist das nicht auch schön? Warum ärgert das andere Eltern? Der Ernst des Lebens kommt doch früh genug. Ich verstehe das einfach nicht und zweifle grad ein wenig an mir selbst. Und ich fürchte, schon bald wird LadyGaga weinend vor lauter Weltherzschmerz nachhause kommen, wenn eine Freundin ihr die Freundschaft kündigt oder sie Kind X nicht mehr sehen darf. Aber ich werde meine Tochter weiterhin ein herzliches, weltoffenes, übersprudelndes Mädchen sein lassen und sie so gut wie möglich darin unterstützen, sie selbst zu sein!
Aufdringlich oder schüchtern – wie sind Eure Kinder und wie geht ihr damit um?
Hallo Mama on the rocks,
was Du beschreibst kenne ich sehr gut. Vorallem, wenn ich mit der Aktion meiner Tochter selber nicht wirklich einverstanden bin / sie anstrengend finde. Sie aber nicht zurechweisen möchte, weil ich finde, sie darf so sein wie sie ist.
Bei mir ist es ist tagesformabhängig. Manchmal geht es mich total an, wenn jemand "komisch" auf mein Kind reagiert, manchmal kann ich meine Haltung lächelnd in einen kurzen Satz packen und dazu stehen. Manchmal bleibt ein ungutes Gefühl. Wichtig ist mir, dass ich Grenzen keine setze, die ich nicht eh selber gesetzt hätte. (ist bei Dir ja auch so.) Weil ich solche Gefühle auch ewig und drei Tage mit mir rumtragen kann, habe ich mir schon im Job, lange vor den Kindern angewöhnt, meinen Standpunkt kurz zu benennen. Wirklich nur 2 kurze Sätze. Keine Verteidigung, sondern eher: Das sehe ich so.
Du mußt die andere Person nicht umstimmen, aber Einblick gewähren. Mir hilft es, ein doofes Gefühl zu vermeiden.
Ich weiß gar nicht, ob Du damit viel anfangen kannst, aber ich denke, seit gestern immer mal wieder darüber nach, weil ich das Gefühl so gut kenne, mich ebenso darüber ärgere. Wollte ich Dir mal sagen.
Achso, und die Situation im Ballettunterricht finde ich für 4jährige nun wirklich total normal. Obwohl meine eher introvertiert ist (langsam taut sie auf) kann sie mit einer Freundin total aufdrehen. Dann ist sie genauso. 🙂
Liebe Grüße!
Hallo! Ich habe gerade deinen Beitrag gelesen und du hast die Situationen so exakt und lustig beschrieben, ich musste so lachen…. Meine Tochter ist genau gleich, alles was du beschrieben hast, könnte von ihr sein. Ich habe den Text meinem Mann vorgelesen und wir haben so gelacht!!! Es ist schön, wenn man sieht, dass andere Kinder ganz gleich ticken und man nicht alleine ist mit genau den gleichen Gedanken und Sorgen!
Dennoch: Ich glaube wir können eher stolz sein, lebenslustige Mädls zu haben, die zwar manchmal eher zuviel des Guten sind, als unsichere Duckmäuschen!
GLG aus Österreich
Carina und Charly 🙂