Blogparade – Die Kindergartenmafia

Letzten Freitag wollte ich LadyGaga morgens die Haare kämmen. Ich fragte sie, ob ich wieder einen Pferdeschwanz auf der linken Seite machen solle, weil sie findet, dass sie so wie das Erd-Einhorn aus Mia and me aussieht. Wer selber ein fünfjähriges Mädchen zuhause hat, weiss wie schwer es ist, die königliche Erlaubnis zum Frisur machen zu kriegen. Endlich hatten wir also eine geduldete Haarpracht gefunden.

LadyGaga brach in Tränen aus. Und ich verstand die Welt nicht mehr.

Sie sagte, die anderen Kinder hätten sie ausgelacht wegen ihrer Frisur und dass sie NIE WIEDER so aussehen wolle. Konkret hatte sie ein Mädchen ausgelacht, nennen wir sie Marla.

Ich hatte auch schon selber einmal mitgekriegt, wie Marla zu ihr sagte: «Du hast ja Jungs-Schuhe an! Hahahah!» Es waren Lack-Sneakers in braun. Meine Tochter ist fünf Jahre alt und wird bereits gemobbt. Die falschen Schuhe, die falsche Frisur. Wir alle wollen, dass unser Kind beliebt ist, dass es geliebt wird, nicht nur von uns. Wir alle waren aber früher auch selber Kinder. Wir wissen, wie hart es ist, sich in der Menge zu behaupten. Wir wissen, wie grausam Kinder sind. Weil wir es selbst erlebt haben.

Ich will LadyGaga schützen. Nur wie?

Auf Twitter habe ich gefragt: Was soll ich tun? Intervenieren? Die Meinungen gingen auseinander: Marla zur Rede stellen. Die Mutter darauf ansprechen. Gar nichts machen. LadyGaga bestärken. Es gab tolle Büchertipps. Was aber klar wurde: Das Thema tangiert und berührt alle Eltern.

Am selben Tag traf ich eine Freundin, die selber keine Kinder hat, und erzählte ihr von meiner Sorge. Sie meinte: Uns ging es doch allen genau gleich. Jeder wird mal auf dem Schulweg gepiesackt oder piesackt selbst andere. Das gehört zur Kindheit einfach dazu. Das liess mich nachdenken. Hat sie Recht?

Die Sache mit Marla

Ich habe nichts weiter zu Marla gesagt. Wir leben auf dem Dorf. Ich habe selber als Kind als Zugezogene einige Jahre in einem Dorf gelebt und die volle Ladung an Mobbing abgekriegt. Das prägt. Noch heute meide ich Spielplätze. Und fremde Kinder. Ja, ich war todunglücklich in der Schule. Das ging so weit, dass meine Mutter und mein sieben Jahre älterer Bruder einmal in die Schule gekommen sind, um einen aggressiven, mich auf dem Schulweg quälenden älteren Jungen zur Rede zu stellen. Mein Bruder hat sich den Jungen gepackt und ihn angeschrien, er solle mich in Ruhe lassen. Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken, denn er hatte sich aufgrund eines Missverständnisses den Falschen zur Brust genommen. Der richtige stand daneben. Wie peinlich, der ganze Schulhof sah zu! Ich wurde daraufhin aber nicht mehr von dem Jungen gepiesackt. Ein Outcast war ich trotzdem.

Einmal outcast, immer outcast

Ich merke, dass ich mich fürchte. Ich weiss nicht, wie ich mit diesem Problem umgehen und LadyGaga helfen kann, wenn ich meinen eigenen Rucksack mit mir rumtrage. Ich (37!) habe mich nicht getraut, Marla darauf anzusprechen, weil ich Angst habe, es könnte Konsequenzen für LadyGaga haben, so wie es damals für mich Konsequenzen hatte. Was, wenn Marla das der Mutter erzählt? Denn auch die Mutter habe ich nicht darauf angesprochen, feige wie ich bin.

Wir haben dieses Haus hier gebaut, weil ich wollte, dass LadyGaga eine schöne Kindheit hat, nicht gemobbt wird wie ich, sondern fest verankert mit Wurzeln aufwachsen kann, die ich nicht hatte. Sie soll von Anfang an ihre Freundschaften pflegen können. Was ich nicht bedacht habe: Ich bin kein Dorfmensch. Ich plaudere nicht mit anderen Müttern und gehe auch nicht ins Frauenturnen. Kaffeekränzchen ist nicht meins. Was ich aber tue: Ich bestärke mein Kind. Erkläre ihr, dass sie stolz auf sich sein kann. «Du bist gut so, wie Du bist!» Mein Tipp an sie: Wenn jemand Dich auslacht, dann lach Du über ihn und sag sowas wie «Na Deine Hose möchte ich ja auch nicht haben!» Oder: «Du bist doch nur eifersüchtig!» Angriff ist die beste Verteidigung. Die Gesprächsspirale durchbrechen, mutig sein! Daran werde ich für mich auch arbeiten müssen. Ich befürchte aber, dass meine Freundin recht hat: Es gehört zur Kindheit einfach dazu, sich bis zu einem gewissen Grad zu quälen, weil man sich aneinander misst und aneinander wächst.

Ist es nun ein Dorfproblem? Oder passiert das überall so? Ist es «natürlich»? Wie können wir unsere Kinder vor dem sozialen Druck untereinander schützen? Sollten wir das Gespräch mit anderen Müttern suchen? Oder sind wir dann Helikopter-Eltern? Fangen wir beim eigenen Kind an, damit es nicht andere schubst, tritt, mit Worten piesackt? Müssen es ausserdem immer Markenklamotten sein, damit man „in“ ist? Was ist eure Meinung? Da mir und auch Mama Schulze das Thema sehr wichtig ist, starten wir gemeinsam eine Blogparade zum Thema «Mobbing unter Kindern – wo fängt es an, wie schütze ich mein Kind?»
Wir sind um jeden Tipp und Beitrag froh! Die Blogparade läuft bis am 5. Januar 2015. Hashtag bei Twitter ist #Kindergartenmafia. Ihr könnt bei mir und/oder Mama Schulze verlinken. Bei genügend Teilnehmern gibt es eine Auswertung. Wir sind gespannt!

9 thoughts on “Blogparade – Die Kindergartenmafia

  1. Ich kann deine Angst gut verstehen, denn ich wurde selber ab der 4 Klasse bis hin zur Ausbildung stark gemobbt, bis hin zu gewalt und Erpressung.
    Sowas lässt einen nicht los und es ist gut wenn man deswegen ein Auge mehr aufs eigene Kind hat. Aber man darf die eigene Angst nicht auf das Kind übertragen!
    Ich persönlich bin sehr froh, dass meine Kinder in einer guten Gruppe gelandet sind und ich mich deswegen im Moment nicht sorgen muß. In der kita, wie auch in der Schule sind die Erzieher hinterher das die Gruppe gut zusammenhält und keiner ausgeschlossen wird. Es ist nicht immer einfach und wir Eltern müssen natürlich auch unseren Beitrag zu teilen, aber es sind wirklich tolle Menschen.

    Was ich dir persönlich raten würde, wäre mit deiner Tochter noch mal über dieses Mädchen zu reden. Frag sie direkt wie sehr sie von ihr belästigt wird und ob du mit ihren Eltern reden sollst.
    Und beim nächsten Geburtstag werden dann nur Kinder eingeladen die man nur mag. Sollte wieder solch eine Situation kommen mit " XY kommt nur wenn li kommt", dann mit den Eltern von XY reden ob das Kind trotzdem vielleicht kommen möchte auch ohne li. Und wenn nicht, na dann hat XY halb pech!

    LG Nicky

  2. Hallo meine Liebe, ich kann deine Sorge so gut verstehen. Es würde mich in 1000 Stücke reißen, wenn meine Kinder gemobbt werden. Ich versuche Josh immer zu sagen, dass er "schwächeren" und kleineren Kindern helfen muss und dass ich es auch gar nicht mag, wenn er Kinder ausgrenzt "ne du darfst nicht mitspielen" "Ne du nicht!", Mir ist bewusst, dass das nicht jede Mama macht, weil es ja nunmal Kinder sind, "die machen so etwas halt", aber wir müssen doch jetzt unseren Kindern Werte mitgeben. Josh ist noch keine 4, daher wird die Zeit des Mobbings wenn erst noch kommen. Aktuell kann ich mich nur an eine Situation erinnern, wo Josh wegen eines T-Shirts ausgelacht wurde. Ich habe ihm dann gesagt, er soll einfach sagen "Mir doch egal, ich finde es cool." Und dass er sich nicht offen ärgern soll. So bietet er keine Angriffsfläche, es ist doch viel zu langweilig ein Kind zu ärgern, was sich nicht ärgern lässt. Ich hoffe, dass er immer zu seiner Person steht und nicht anfängt sich zu verbiegen, um anderen zu gefallen. Aber da muss wohl jeder irgendwie mal durch. Diese Marla klingt allerdings wie ein absoluter Ätzpickel und wenn sie das von ihren Eltern hat, wirst du da vielleicht auch nicht wirklich viel ausrichten können. Ich würde wohl das Gespräch mit den Erziehern suchen und mal fragen, wie sie die Situation sehen und ob sie nicht zwischen den Kindern vermitteln können. lg Lulu

  3. Hey du Liebe,

    ich war schon die ganze Zeit auf diesen angekündigten Beitrag gespannt, weil ich auch deine Sorge und Fragen bei Twitter mitbekam. Ich finde auch, dass das ein sehr schweres, das Mamaherz extrem belastendes Thema ist. Lustigerweise gab es bei uns auch eine Marla… Jetzt ist sie in der Schule, zum Glück, aber es war fast 1:1 wie bei dir – aber weißt du was? Jetzt ist sie die Gemobbte und keiner will mit ihr spielen. Und auch, wenn ich ein böser, böser Mensch bin, der sich über das Elend einer 6jährigen freut, so sehe ich es auch als eine Art zweite Chance für das Mädchen. Jetzt sieht sie vielleicht, wie es einem geht, wenn andere so mit einem umgehen…

    Ich selbst war in einer Brennpunktgrundschule und habe viele Freunde, aber auch viele Feinde gehabt und war bis zur 6. oder 7. Klasse verdammt unsicher. Vielleicht schreibe ich darüber. Ich denke, ich werde mitmachen bei deiner Blogparade!

    Was ich dir raten kann oder will? Bleib immer an der Seite deiner Kleinen. Bestärke sie weiter. Sag ihr, dass sie das hübscheste und tollste Mädchen ist. Denn so, wie man irgendwann glauben kann, dass man doof oder ungeliebt ist, wenn man es oft genug hört, so glaubt man irgendwann daran, dass man genau so richtig ist, wie man ist.

    Ganz liebe Grüße!!!!!
    Katja

  4. Aua, das tut mir richtig weh, das zu lesen. Über Mobbing wollte ich ohnehin demnächst schreiben, gebe dir dann Bescheid! Übrigens wurde ich auch mal wegen einer lila Mütze in der Grundschule ausgelacht, in der 6. Klasse dann richtig gemobbt – und in der 7. Klasse war ich plötzlich Klassensprecherin. Kindheit ist schon komisch….

  5. Meine Tochter ist gerade erst drei, deshalb habe ich Gott sei Dank noch nicht so viel Erfahrung mit dem Thema. Persönliche natürlich schon. Wer hat die nicht. Und ich merke auch, dass ich als Mutter wieder in die gleichen Rollen falle, wie als Kind oder Jugendliche, sobald ich merke, dass ein anderes Kind meiner Tochter zu Nahe tritt. Dabei hilft mir mein Mann sehr, er geht unbefangen an die Sache ran. Er ist ab der dritten Klasse im Ausland aufgewachsen und sagt: Mobbing ist ein deutsches Thema, woanders hat er das so nie erlebt. Das gibt mir auch zu denken… Hier ein Post von BerlinMitteMom, die auch so Ihre Erfahrungen gemacht hat und ganz tolle Ideen, wie man als Familie das Kind stärken kann: http://berlinmittemom.com/2013/06/03/mobbing-angst-und-ohnmacht-10-ideen-mein-kind-zu-starken/

  6. Ich bin sehr sensibel, was dieses Thema angeht – weil ich selbst lange Zeit (bis zum Abitur) gemobbt wurde. Ich versuche meinem Kind zu vermitteln, dass es niemand, wirklich niemand verdient hat, wegen seinem Äußeren, dem was er trägt, seinen Vorlieben, seines Geschmackes oder was auch immer bloßgestellt, beleidigt, gehänselt, vorgeführt oder ausgeschlossen zu werden. Das ist die Theorie.
    Was aber, wenn das EIGENE Kind ein anderes Kind dennoch ausschließt ? Nicht mit ihm spielen möchte ? Den näheren Kontakt einfach nicht duldet ?
    Mein Sohn (3.Klasse) kam vor einiger Zeit nach Hause und wollte mit Karl (Name erfunden) nicht mehr spielen. Karl sei doof. Karl bewegt sich "bescheuert" beim Fußball. Karl schmatzt beim Essen. Karl nervt. Karl ist einfach rundum ein blödes Kind. Und weil nicht nur er das so empfindet, sondern auch noch 2 oder 3 seiner anderen Kumpels, darf Karl nun nicht mehr mitspielen in der Pause.
    Ich fand das Verhalten der Jungs nicht gut und habe gezielt nachgefragt, was denn der Auslöser war ? Nach und nach kam dann der eigentliche Kern zum Vorschein: die Jungs spielen ein Spiel, Karl will zunächst nicht mitspielen. Während die anderen spielen, überlegt es sich Karl anders und möchte doch mitspielen. Er möchte, dass das Spiel abgebrochen und neu gestartet wird – mit ihm. Oder: Karl möchte bestimmen, wer mit ihm etwas spielen "muss". Werden seine Wünsche nicht erfüllt, fängt er an zu weinen und gibt vor, dass die anderen ihn nicht mitspielen lassen.
    Sohnemann und seine Freunde haben sich das eine Zeit lang gefallen lassen. Haben angeblich versucht, klar zu stellen, was sie stört. Nachdem sich nichts geändert hatte – wurde er ausgeschlossen.
    So – da stand ich nun. Meine Meinung ? Schwankend. Mein Leitbild geriet ins Wanken. Ich konnte es verstehen, dass die Jungs sich distanzierten – und Dinge aussprachen, die sie sonst vermutlich nur dachten, aber in ihrem eigenen Unmut einfach aussprachen.
    Gut fand ich es nicht, aber eben nachvollziehbar.
    Ich konnte meinem Sohn aber auch nicht sagen "und du lässt ihn mitspielen !". Wieso sollte er das, wenn er es nicht möchte ? Er hat ein Recht auf seine Meinung – und er muss sich eben NICHT zwingend so verhalten, dass andere sich nicht verletzt fühlen, wenn ER sich dabei schlecht fühlt.
    Ich denke, es ist falsch, wenn aus Rücksichtnahme auf andere die eigenen Gefühle, Stimmungen, das eigene Wohlbefinden leidet.
    Ich habe ihm geraten, wenn Karl wieder mit ihm und anderen Kindern mitspielen möchte, dies nicht abzulehnen, sondern das Mitspielen zu tolerieren – und selbst dann eben nicht mit zu spielen. So schließt er ihn nicht ausdrücklich aus – entscheidet also nicht für ein anderes Kind, sondern für sich selbst, dass er dann eben nicht mitspielen möchte.
    Das schien mir noch die verträglichste Lösung.
    Aber es ist ein schmaler Grat, der da beschritten wird. Und ich vermute, dass es keine wirkliche richtige Art gibt, wie man diesen meistert.
    Ich versuche, mich aus den "Kinderkonflikten" weitestgehend raus zu halten, und keinen Kontakt zu den anderen Müttern aufzunehmen, auch wenn mein Kind derjenige ist, dem "Unrecht" geschieht. Solange es nicht dauerhaft, extrem beleidigend oder verletztend ist, bestärke ich meinen Sohn, versuche ihm selbst gemachte Erfahrungen zu erzählen, biete Lösungsvorschläge an. Letztlich ist es die Lehre des Lebens, Konflikte wird es immer wieder geben – und indem ich sie gänzlich von ihm fern halte, oder die Kuh für ihn vom Eis hole, wird er sich schwer tun, mit Konflikten umgehen zu lernen.
    Liebe Grüße, Friederike

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert