Es ist nicht immer einfach, den Alltag mit Kindern zu wuppen. Oft (ver)zweifeln wir als Eltern, fühlen uns unfähig, sind geprägt durch schlechtes Gewissen. Und dann zeigen uns unsere Kinder plötzlich wieder, dass es weitergeht, dass sie weitergehen, vorwärtskommen. Und man kann stolz sein auf sie und auf sich selbst und das, was man als Familie erreicht hat. Ganz plötzlich ist die Veränderung da. Ein Meilenstein wurde erreicht. Ich habe gestern zwei davon erlebt.
Loslassen können
Beim Frühstück gestern sagte ich zu LadyGaga, dass ich vielleicht nicht zuhause sein würde, wenn sie mittags von der Schule kommt. Ich war zum Interviewtermin in Zürich. Es war unwahrscheinlich, dass ich zu spät sein würde. Ich hatte ihr noch nie gesagt, dass ich mich vielleicht verspäten könnte. Aber irgendetwas trieb mich, ihr zu sagen: «Wenn ich nicht da bin, gehst Du einfach in den Garten und schreibst dort am Tisch Deine Hausaufgaben, ich komme dann so schnell wie möglich nach.»
Es kam, wie es kommen musste.
Das Interview ging länger als geplant, ich verpasste den Zug – und war um 12 Uhr nicht zuhause. Früher hätte ich mir Sorgen gemacht, dass ihr etwas passiert, sie herumirrt, entführt wird. Gestern hatte ich «nur» ein schlechtes Gewissen, dass ich als arbeitende (= böse) Mutter es zum ersten Mal nicht schaffen würde, pünktlich zuhause zu sein. «Schlüsselkind!», schoss es mir durch den Kopf. Da sieht man mal wieder, wie uns die Gesellschaft prägt. Als ich selber ein Kind war, galt dieser Begriff nämlich als verpönt, und heute trage ich dieses Vorurteil immer noch in mir. Aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls hatte ich Angst, dass LadyGaga Angst haben würde. Ich rief also meine Nachbarin an und bat sie, ein Auge auf unseren Garten zu haben, falls da plötzlich ein aufgelöstes Kind herumstehen würde. Sie bot sofort an, LadyGaga zu sich zu nehmen, was ich ganz toll fand. Aber ich wollte LadyGaga zutrauen dürfen, das alleine zu wuppen – einfach mit einem unsichtbaren Sicherheitsnetz um sie herum. Trotzdem eilte ich natürlich so schnell es ging nachhause. Um 12.20 Uhr war ich da. Es erwartete mich…
… ein auf dem Trampolin herumhüpfendes, verschwitztes Schulkind.
Ich war erleichtert und knuddelte sie sofort. Als ich nachfragte, wie es ihr ergangen war, erklärte sie: «Ich habe an der Tür geklingelt, und als Du nicht aufgemacht hast, habe ich kurz Angst gekriegt. Aber dann ist mir eingefallen, was Du mir am Morgen gesagt hast. Ich habe aber keine Hausaufgaben heute, also bin ich aufs Trampolin.»
Mein grosses Mädchen, ich bin so stolz auf Dich!
Entfesselt
Aber auch Copperfield hat seinen Meilenstein gestern erreicht. Schon seit ein paar Tagen sagte er mir Sachen wie «Mami ufego» (Mami, ich gehe jetzt rauf ins Zimmer zum Spielen). UND DAS TUT ER DANN AUCH!! Plötzlich kann er sich für eine halbe Stunde oder auch mal länger mit sich selbst und seinen Drölfzigtausend Autos beschäftigen, das ist so cool! Das gibt mir Luft zum Durchatmen. Ich glaube, das Tal ist durchschritten. YEAH!
Gestern Morgen habe ich Copperfield halbhängend über seinem Gitterbett erwischt. Es war also klar: Das Gitter muss definitiv weg. Bei LadyGaga war das damals ein Drama – sie ist während zweier Wochen immer wieder mit grossem Gebrüll aus dem Bett geplumpst, siehe auch hier (Achtung, witzig!). Wir machten uns also auf das Schlimmste gefasst für letzte Nacht. Copperfield hatte zwar Mühe beim Einschlafen, weil ihn die neue Schlafsituation etwas aus der Bahn warf. Tatsächlich aber blieb er im Bett, er versuchte nicht herauszuklettern in der Nacht (zumindest haben wir nix mitgekriegt), er schlief durch. Als er mich heute Morgen rief, sass er auf dem Bett, bereit zum Aufstehen. Aber er wartete auf mich. Copperfield vergrössert langsam und behutsam seinen selbstbestimmten Aktionsradius. Ich finde das so, so toll!
Mein kleiner Schatz, auch auf Dich bin ich so stolz! Du machst das alles ganz wunderbar!
Der Beginn einer neuen Ära?
Durch die neuen Freiheiten meiner Kinder erlebe ich plötzlich wieder neue Freiheiten auch für mich. Der neue Alltag als Mutter eines Schulkindes gefällt mir. Ich arbeite mehr tagsüber und muss dafür abends weniger Nachtschichten einlegen. Dadurch bin ich ausgeglichener und zufriedener. LadyGaga ihrerseits ist gefordert in der Schule, lernt zudem täglich, mehr Verantwortung zu übernehmen, sowohl für sich als auch für andere. Ich merke schon nach zwei Wochen Schule, wie sie tiefer analysiert. Wobei sie kein nachdenkliches Kind ist, sondern ein aktives, forderndes, zielorientiertes. Sie ist eindeutig eine Macherin. Copperfield hingegen hat mittlerweile gelernt, dass sich nicht alles nur um ihn dreht, sondern dass es eine Welt ausserhalb von Copperfield gibt. Ich mag diese besonnene Autonomiephase sehr. Mehr als das Gebrüll und das Gezeter (das bestimmt auch wieder kommen wird, da mache ich mir keine Illusionen). Beide Kinder haben gerade Meilensteine erreicht und wir haben als Familie Zeit, mal durchzuatmen. Das. Tut. So. Gut.
Welche Meilensteine erlebt ihr gerade bei euren Kindern?
Oh toll, das freut mich sehr für euch!!! Es ist so schön, als Mutter nach einer extrem fordernden Zeit mal wieder durchatmen zu können. Genieß das, solange es anhält 🙂 toll übrigens, dass du LG das Selbstständigsein mit unsichtbarem Sicherheitsnetz zugetraut hast. Finde ich super! Ich drück dich!
WOW! Da war ja wirklich mächtig was los bei euch – aber eigentlich ganz entspannt und mal eben locker durch die Hose geatmet 😉
Den Kindern auch das Leben zuzumuten lässt sie dran wachsen. Einfach toll 🙂
Oh da freue ich mich für dich & natürlich auch für die Kinder. <3
Das klingt toll! Meilenstein beim Großen (2,5Jahre) ist,dass er seit zwei Wochen Schnullerfrei ist. Yeah! Meilenstein beim Kleinen (2,5 Monate) ist die erste Drehung von Bauch auf Rücken. Du siehst,wir sind euch ein paar Jahre hinterher :-). Genießt die neuen Freiheiten. LG Nina
Wow schnullerfrei!!!! Davon träumen wir hier, und Copperfield ist ja auch zweieinhalb :))) wie habt ihr das hingekriegt?
Hmm,wir haben uns eine blöde Krankheit zu nutze gemacht. Er hatte Hand-Mund-Fuß und das Schnullern tat ihm weh. Danach waren die Schnuller „verschwunden“,wenn er danach gefragt hat. Nur bei langen Autofahrten fragt er noch. Reine Langeweile! Die Krankheit wünsche ich euch trotzdem nicht.