Der Babybonus ist abgelaufen

Wer heult am Lautesten?! (c) Fotolia
Wer heult am Lautesten?! (c) Fotolia

Copperfield ist kein Schreikind. Also zumindest nicht im herkömmlichen Sinn. Er hat nicht gebrüllt als Baby und uns nächte- und tagelang wachgehalten. Nein, bei ihm ist es anders. Angefangen hat es erst um Weihnachten 2014, also mit neun Monaten: Er begann zu kreischen, wenn ihm etwas nicht passte. Mit zwölf Monaten drehte er voll auf und brüllte und warf sich auf den Boden, wenn etwas nicht nach seinem Gusto war. Am liebsten in der Öffentlichkeit. In Restaurants. Ja, er brüllte uns regelrecht die Bude zusammen, und auf meinem linken Ohr reagiere ich noch heute wie ein Pawlowscher Hund und zucke bei jedem Ansatz eines lauten Geräusches panisch zusammen.

Spricht er denn jetzt?

Ich war überzeugt (und voller Hoffnung), dass es besser wird, sobald er spricht und sich besser artikulieren kann. Nur: Der Junge ist die geborene Pantomime. Er schummelt sich quasi durch den Alltag mit «Ey! Ey! Ey! Amam! AMAM! A-MAM!!!!» und Nicken und Kopfschütteln. Er beherrscht das mittlerweile aus dem Effeff, und wir leider auch, denn wir verstehen ihn ja. Keine Not also, unsere Sprache zu sprechen. Sein Vokabular umfasst ca. zehn Worte. Als neuestes sagt er: «Ein!» (unser Fangspiel: «Ich zähle auf EINs, zwei, drei – und dann hole ich Dich!») Aber ich bin sicher, dass er eines Tages plötzlich pfannenfertige Sätze sprechen wird und ich dann vor Schreck etwas fallen lasse. Ich bin gespannt, was es sein wird.

Aus den Augen, aus dem Sinn?

Jedenfalls zurück zum Schreien. Im Sommer war es ganz schlimm, wir getrauten uns nicht mehr in Restaurants, auch Besuche wurden rar, weil ich nicht wegen des brüllenden Copperfields in Erklärungsnot geraten wollte. Es war mir peinlich und ich schlichtweg überfordert. Doch es hat sich tatsächlich gelegt. Obwohl er nicht mit Worten spricht, kommuniziert er heute. Er muss nicht mehr bei jedem Klacks brüllen, um sich Gehör zu verschaffen. Er kommt und holt mich, zieht an meinen Kleidern, bis ich ihm folge. Wenn ihm etwas nicht passt, was ich sage, blickt er auf den Boden. Er meidet den Augenkontakt, nach dem Motto: Wenn ich sie nicht ansehe, hat sie es auch nicht gesagt. Das ist echt süss – und so viel besser als Schreien. Am Sonntag war ich sogar alleine mit den beiden Kindern in einem 5-Sterne-Restaurant bei uns im Dorf, um dort Kuchen zu essen. Das hätte ich noch vor ein paar Monaten nicht für möglich gehalten! Es ging zivilisiert zu und her, mal abgesehen von der Schokoladenkuchen-verschmierten Tischdecke. Tschakka! Es ist echt schön, diese Fortschritte zu beobachten.

Und dann das

Am Sonntagabend war der Kleine zufrieden, als ich ihn bettfertig machte. Er verabschiedete sich von allen mit Küsschen, ich legte ihn in sein Bett – und: er_brüllte_wie_am_Spiess. Ich bot ihm noch etwas zu trinken an, redete beruhigend, erklärte. Wollte trösten. Er brüllte unbeirrt. Ich ging aus dem Zimmer, denn nun war eigentlich LadyGaga-Zeit, die ja auch schon bald ins Bett musste. Das Prozedere war das Gleiche wie an jedem Abend. Aber Copperfield brüllte weiter. Er war einfach wütend, weil er es gemein fand, jetzt im Bett sein zu müssen. Party!

Nun war es just ein sehr anstrengendes Wochenende, denn mein Mann lag und liegt mit einer Grippe komplett flach. Das Fass war voll, mein Hirn leer. Ich stand im Flur vor Copperfields halb angelehnter Tür und brüllte nun meinerseits wirklich wütend und aufgebracht in seine Richtung: «Jetzt ist RUHE, Copperfield!! Ich möchte keinen Mucks mehr von Dir hören, ES REICHT JETZT!» Ich bin wirklich kurz ausgetickt in diesem Moment.

Sofort war es da, das schlechte Gewissen. Aber nur für ein paar Sekunden. Dann nämlich merkte ich: Es war mucksmäuschenstill im Haus. Echt jetzt?! Ich ging zu LadyGaga ins Zimmer und las ihr noch ihre Gute-Nacht-Geschichte vor. Danach war Ruhe im Haus.

Was ich gelernt habe

Irgendwann, ganz unbemerkt, hat sich die Qualität des kindlichen Brüllens verändert. Vom Babygeschrei zum brüllenden Kleinkind, das sich nicht zu helfen weiss, zum Trotzkind, das genau weiss, wie es weiterkommt. Es war ein Machtspiel um Grenzen, das ich nicht als solches erkannt habe.

Ich werde jetzt in Zukunft sicher nicht brüllend meine Mamarolle ausleben. Aber offenbar ist es an der Zeit, bei Copperfield bewusst mit der Erziehung zu beginnen, denn er versteht alles, und zwar sehr gut. Mein Trotzkind soll nicht mehr brüllen. Der Babybonus ist abgelaufen.

 

Habt ihr diesen Moment in der Beziehung zu euren Kindern auch erlebt? Ich bin gespannt auf eure Kommentare!

3 thoughts on “Der Babybonus ist abgelaufen

  1. Perfekt! Bei uns war es genau gestern so. Ok, der Minimann (wird im Februar zwei Jahre alt) benimmt sich momentan auch wie ein kleiner Bockzwerg. Wirft sich früh morgens auch gern mal auf den Boden, wenn er seine komplette Autosammlung nicht mitnehmen darf. Heute habe ich mich einfach daneben gelebt und plötzlich stand er wieder auf und ging zur Tür.

    Du hast vollkommen Recht mit deinem Satz "Der Babybonus ist abgelaufen."

  2. Oh ja, dass kenne ich gut! Ich muß mit K2 zu etlichen Therapien, ständig ist er dazu noch krank. Er wirkt so klein und zerbrechlich das ich manchmal vergesse das er groß ist, doch auch ich bin irgendwann aufgewacht und musste einsehen das er groß ist. Aber seit dem läuft alles besser und auch K2 ist viel entspannter.

    LG Nicky

  3. Lustig, genau zu dem Thema (Trotzphase Kleindkind) habe ich für morgen heute früh gerade einen Beitrag fertig bekommen ; ).
    Man merkt: auch wir sind mittendrin. Brüllen, kreischen, auf den Boden werfen. Und natürlich nur wenn andere Menschen da sind, die Mama und Papa böse angucken können.

    Liebe Grüße
    Nicole

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